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Printed 21.09.2023 20:59

Traditionelle Berufe der Roma
26-02-2000  

In Europa sicherten sich die Roma ihren Lebensunterhalt durch die Ausübung von Berufen, die sie aus Indien mitgebracht hatten. Indien war ein Land, wo die Bevölkerung in Kasten unterteilt war, sogenannte dzati. Jede dzati hatte ihr besonderes dharma, eine Sammlung ungeschriebener Regeln und Verbote, welche Tätigkeiten ausgeführt und welche nicht ausgeführt werden dürfen. Oft durften Tätigkeiten nicht ausgeübt werden, die mit den Lebensunterhaltstraditionen anderer Kasten zusammenhingen. Damit war praktisch der Berufsumkreis jeder Kaste geschützt. Berufswechsel sind unter den Roma inzwischen zwar gängig, bis vor kurzem jedoch gab es ungeschriebene Regeln zum Verhalten einzelner dzati der Roma untereinander, die sehr den Beziehungen zwischen den Kasten in Indien ähnelten.

In Indien gehörten die Roma in die Kaste, die folgende Berufe ausüben konnte: Schmiede, Kessler, Ledergerber, Pferdehändler, Musikanten, Schlangen- und Bärenbändiger, Kesselflicker, Korbbinder, Wäscherinnen Wahrsagerinnen, Ziegelbrenner, usw. Allgemein gilt, dass nach diesen Berufen eine sehr ungleichmässige Nachfrage bestand.

Auf unserem Territorium lebten bis zum Zweiten Weltkrieg etwa 90 Prozent alteingesessene Roma, die über den Balkan der Donau entlang in unser Gebiet gekommen waren und sich hier ab dem 17. Jahrhundert niedergelassen hatten. Damals gab es auf dem Land zwischen eingesessener und neuankommender Bevölkerung nicht so grosse Unterschiede, es kann daher von einer gewissen Assimilation der Roma an die schon vorhandene Bevölkerung gesprochen werden. Gemäss dem sprachlichen Umfeld, in dem sie lebten, konnten folgende Kategorien unterschieden werden: sesshafte slowakische und ungarische Roma, halbfahrende oder fahrende tschechische Roma (d.h. böhmisch-mährische). Das Umfeld hatte einen Einfluss auf ihre Sprache, doch ihre Kultur veränderte sich wenig. Eine besondere Gruppe bildeten die Welschroma, die ausschliesslich fahrend waren und mit den übrigen Roma sehr wenig Kontakte unterhielten.

Im 17. Jahrhundert begannen einige Städte, Roma anzusiedeln als Gegenleistung für Dienste, die der Stadt oder Gemeinde erbracht wurden, beispielsweise Schärfen von Hellebarden, Reinigung der Stadt, Totengräber, später erhielte sie das Recht, ihr Handwerk auszuüben. Das bekannteste Handwerk der slowakischen Roma war die Schmiedekunst. Sie arbeiteten auf die archaische Weise, die sie aus Indien mitgebracht hatten. Bei der Arbeit sassen sie auf der Erde und als Rohstoff benützten sie Alteisen, das umsonst gesammelt werden konnte. Ende des letzten Jahrhunderts verzeichnete die Slowakei die vielleicht grösste Dichte von Schmieden in ganz Europa. Sie stellten Nägel, Ketten, Wagenzubehör, Feldwerkzeug und Beschläge her. Hufeisen machten sie selten. Heute arbeiten nur noch wenige Roma als Schmiede, und diese orientieren sich vor allem auf Kunsthandwerk - Beschläge, Kerzenständer, Gitter usw.

Eine weitere Form des Verdienstes für Roma waren Naturalien für Hilfsarbeiten auf den Feldern der Dorfbauern und Kleinlandwirte. Es handelte sich um Gelegenheitsarbeiten etwa bei der Ernte oder beispielsweise um Steinmetzarbeiten für den Wegbau. Diese Zusammenarbeit zwischen Roma und Nichtroma führte zu mancher Patenschaft.

Die Kollektivierung der Landwirtschaft machte dieser Art von Zusammenarbeit ein Ende und die Roma, für die kein Interesse mehr bestand, begannen sich von den "Weissen" abzusondern. Weitere Berufe der Roma in Tschechien und der Slowakei umfassten die Herstellung von Stroh- und Korbwaren, Lederbearbeitung, Messerschleifen, Herstellung ungebrannter Ziegel, Köhlerei. Die Frauen gingen bei den örtlichen Bauern Oefen reinigen, wozu ihnen ihr kleiner Wuchs zustatten kam, auf einfachen Rahmen woben sie einfache Stoffe, mit den Kindern sammelten sie Waldfrüchte. Ihre Produkte und die gesammelten Früchte boten sie der örtlichen Bevölkerung an. Sie tauschten sie vorwiegend für Lebensmittel und Kleider.

Jekhfeder pativ luvutariske.
Die grösste Ehre gebührt dem Musiker.

Sprichwort der Roma

Eine weitere, wenn auch meist nur ergänzende Art des Lebensunterhalts der slowakischen und ungarischen Roma war die Musik. In einer Musikkapelle der Roma spielten nur Männer, meist aus einer Familie (der Vater - meist gleichzeitig Kapellmeister, seine Brüder, Söhne, Schwiegersöhne und Schwager), und sie war mindestens vierköpfig. Die Grundinstrumente waren Erste und Zweite Geige, Bratsche, Bass oder Zimbal, allenfalls Klarinette. Die Kapellen spielten für Nicht-Roma auf Hochzeiten, Festen, Tauffesten, Gesellschaftsanlässen oder Begräbnissen und bekamen dafür Geld. Unter sich spielten sie auch die melancholischen Roma-Lieder über das schwere Leben, über Liebe, Trauer und Not. Ein altes Roma-Sprichwort sagt, den Nicht-Roma spielten sie für das Ohr, sich selbst für das Herz.

Eine andere Art von Dorfmusikanten waren Einzelne, die sich im Dorf unter die Fenster stellten und Geige spielten, wobei die Musik nur Vorwand zum Betteln war. Diese Musiker waren sozial tiefgestellt und wurden von den anderen verachtet. Die besten Musiker bildeten an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert eine besondere Schicht der städtischen Kaffeehausmusiker, den sogenannten Zigeuneradel. Es waren die Nachkommen von Musikern, die früher an Adels- und Königshöfen gespielt hatten und von Feudalherrschern auf ihrem Territorium angesiedelt worden waren, als es in Mode war, am Hof eine eigene Zigeunerkapelle zu haben. Diese Musiker assimilierten sich stark und legen auch heute noch Wert auf die Musikerziehung ihrer Kinder. Diese studieren an Konservatorien (am meisten junger Roma-Musiker studieren am Konservatorium in der slowakischen Stadt Presov).

Die Welschroma lebten im Gegensatz dazu traditionell vom Pferdehandel, die Frauen von der Reinigung von Federn oder der Wahrsagerei aus Karten und der Hand. Heute beschäftigen sich einige mit unterschiedlichen Formen von Handel, aber auch mit Diebstahl und Betrug.

Heute arbeitet die Mehrheit der Roma in unqualifizierten manuellen Berufen in der Bau- und Holzwirtschaft, bei der Eisenbahn, bei Erdarbeiten und im städtischen Reinigungsdienst.




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