Printed 24.05.2022 10:06 03-11-2012 Jitka Mladkova
Vor 70 Jahren begann dort im Namen der nationalsozialistischen
Rassenideologie der Holocaust an mährischen Sinti und Roma. Nur sieben
Jahre später, diesmal im Namen der kommunistischen Ideologie, wurden dort
Menschen durch Zwangsarbeit umerzogen. Trotzdem ist der Name des
geschichtlich belasteten Ortes und der heutigen Gedenkstätte Hodonín u
Kunštátu einem Großteil der heutigen Tschechen nicht geläufig. Was an
dem Ort in Südmähren geschah, war hierzulande über Jahrzehnte ein Tabu.
Mehr über die Geschichte des Lagers in einem weiteren Kapitel aus der
tschechischen Geschichte. Wir knüpfen an unser Thema der Vorwoche an:
„Der Holocaust an den Roma im Protektorat Böhmen und Mähren“.
Bereits ab Herbst 1938 und verstärkt dann nach der deutschen Besetzung und der Ausrufung des Protektorats Böhmen und Mähren im März 1939 wurden landesweit so genannte Straf- und Internierungslager errichtet. Ihre damalige Funktion erläutert der Historiker Michal Stehlík von der Prager Karlsuniversität:
„Nach seiner Entstehung wurde das Lager in das System derartiger Einrichtungen im deutsch besetzten Protektoratsgebiet eingebunden. Seit dem 10. August 1940 galt es offiziell als Straf-Arbeitslager, seine Größe war für rund 200 Menschen angelegt. Laut vorhandenen Statistiken belief sich die Zahl der Internierten bis Januar 1942 auf höchstens 250. Der Anteil der Roma lag damals zwischen zehn und zwölf Prozent“, so Michal Stehlík. Bis Sommer 1942 wurden die Arbeitslager von tschechischen Polizisten bewacht. Das änderte sich aber dann: Die reichsdeutsche Protektoratsverwaltung verschärfte die Gangart und orientierte sich dabei an der NS-Rassenpolitik. In der Folge wurden zwei Arbeitslager in so genannte Zigeuner-Lager „umfunktioniert“. Hodonín war für die in Mähren beheimateten Roma bestimmt, für die in Böhmen lebenden Roma wurde Lety u Písku ausgewählt. Anfang August 1942 wurden die ersten Opfer in diese Lager verschleppt. Es begann ein tragisches Kapitel der tschechischen Geschichte: der hierzulande häufig vergessene Völkermord an den Roma. Michal Stehlík:
Die unerträglichen Zustände im Lager führten zu Unterernährung und Epidemien. In Hodonín starben zwischen August 1942 und September 1943 etwa 200 Internierte. Die meisten der hier eingesperrten Roma wurden allerdings nach Auschwitz deportiert und dort von den Nazis umgebracht.
„In den Nachmittagsstunden des 21. August werden 741 Menschen zum nahe gelegenen Bahnhof gebracht. Kurz nach 21 Uhr kommt der Zug in Brünn an, und schon um halb zehn abends setzt er sich wieder in Bewegung. Halb drei in der Früh ist Ankunft in Mährisch Ostrau, wo die Protektoratspolizei die Waggons deutschen Sicherheitskräften übergibt. Um halb sieben verlässt der Zug Ostrau und kommt nach rund 48 Stunden im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau an. Dort finden alle Insassen den Tod in den Gaskammern.“
„1944 dient das Lagerareal als Übungsplatz für Soldaten der deutschen Wehrmacht - konkret für die Grenzpolizei und Panzergranatenwerfer. Kurz vor der Befreiung der Tschechoslowakei im Mai 1945 befinden sich auf dem Gelände auch Einheiten der rumänischen Armee, gefolgt von der Roten Armee, die dort ein Lazarett für 700 Soldaten einrichtet. Ein Teil der Verwundeten überlebt nicht und wird in der Nähe begraben.“
„Man wird schwerlich einen anderen Ort in der ehemaligen Tschechoslowakei beziehungsweise in Tschechien finden, an dem sich ebenso viele menschliche Tragödien in einer so kurzen Zeit abgespielt haben und an dem Verbrechen an so unterschiedlichen Gruppen von Menschen begangen wurden.“ In Hodonín u Kunštátu wird derzeit eine Gedenkstätte eingerichtet. Der tschechische Staat hat das zuvor in Privathand befindliche Gelände gekauft, die Pläne für seine Umgestaltung haben etwas konkretere Formen erhalten. Die einzige erhalten gebliebene Holzbaracke des ehemaligen Lagers wurde in ihrer ursprünglichen Gestalt renoviert und im Sommer dieses Jahres der Öffentlichkeit bei einer Gedenkfeier gezeigt. Die Eröffnung der Gedenkstätte ist für 2016 vorgesehen. Copyright © Radio Praha, 1996 - 2003 |