Article from http://www.romove.cz Printed 01.06.2023 08:48
Ombudsmann: Absurd hohe Zahl von Roma an Sonderschulen 07-06-2012 Marco Zimmermann
Der tschechische Ombudsmann hat eine Studie veröffentlicht, nach der
Kinder aus der Roma-Minderheit weiterhin verhältnismäßig oft auf
Sonderschulen geschickt werden. Laut der Untersuchung sind etwa ein Drittel
der Schüler dieser so genannten „praktischen Schulen“ Roma. Dies
würde bedeuten: Die häufige nationale aber auch internationale Kritik an
der Tschechischen Republik in diesem Bereich hat bisher nur wenig
Ergebnisse gebracht.
An Sonderschulen, seit einiger Zeit „praktische Schulen“ genannt,
sollen in Tschechien Kinder mit leichter geistiger Behinderung unterrichtet
werden. Unter dieser Diagnose werden aber auch viele Roma an diese Schulen
verwiesen. Das wird seit langem von Menschenrechtsorganisationen, aber auch
von der EU-Kommission kritisiert. Nun hat das Büro des tschechischen
Ombudsmanns Pavel Varvařovský eine neue Studie erstellt. Das Ergebnis:
Die Zahl der Roma an Sonderschulen korrespondiert nicht mit ihrem Anteil an
der Gesamtbevölkerung:
„Wir haben in einer sehr objektiven Studie festgestellt, dass etwa 30
Prozent der Schüler an praktischen Schulen aus Roma-Familien stammen. Es
wäre absurd anzunehmen, dass der Anteil der geistigen Behinderungen in
dieser bestimmten ethnischen Gruppe einen solch hohen Wert erreicht. Daher
entspricht die Praxis, die Kinder auf diese Schulen zu schicken, nicht
objektiven Kriterien.“
Der Prozentsatz von Roma an der Gesamtbevölkerung liegt nämlich nur bei
1,4 bis 2,8 Prozent.
Zudem starten Abgänger der praktischen Schulen mit einer besonderen Last
in den Berufsalltag, fügt Ombudsmann Varvařovský hinzu:
„Diesen Kindern nur eine Ausbildung von niedrigerem Standard zu bieten
ist nicht vorteilhaft, denn ihre die Chancen auf dem Arbeitsmarkt tendieren
später gegen Null. Dadurch schaffen wir nur mehr und mehr Gruppen, die auf
dem Arbeitsmarkt nicht zurechtkommen.“
Der Vorsitzende des Verbandes der Sonderschulpädagogen, Jiří Pilař,
verteidigt das tschechische Bildungssystem:
„Wir müssen uns einmal vergegenwärtigen, dass dank unseres
Ausbildungssystems 30 Prozent der Roma eine Mittelschulbildung haben. Im
restlichen Europa liegt dieser Wert nur bei 20 Prozent. Und 30 bis 40
Prozent der Roma in Tschechien haben Arbeit. In Frankreich, Italien und
anderen europäischen Ländern bewegt sich dieser Wert um die zehn Prozent.
Daher glaube ich, dass unser System nicht so schlecht ist.“
Über eine Aufnahme von Kindern an praktischen Schulen entscheidet der
Schuldirektor. Er braucht dazu das Gutachten einer fachlichen
Beratungsstelle und das schriftliche Einverständnis der Eltern. Häufig
fließen aber nicht medizinische Erkenntnisse, sondern soziokulturelle
Umstände in die Beurteilung über eine geistige Behinderung ein, so die
Menschenrechtsbeauftragte der Regierung, Monika Šimůnková. Dass dies
gängige Praxis sei, bestätigte indirekt auch Pilař:
„Wenn die Kinder aus einem sozial völlig unanpassungsfähigem Umfeld
kommen, haben sie große Probleme, sich an normalen Schulen
zurechtzufinden. Ihnen fehlt die Basis, die andere Kinder haben. Es geht
nicht darum, ob jemand Roma oder Nicht-Roma ist, sondern darum, ob diese
Grundlagen für die Schulbildung vorhanden sind.“
Der Ombudsmann hat der Regierung und dem Bildungsministerium nun einen
Vorschlag unterbreitet. Zum 1. September sollen die Schulen dem
Bildungsministerium melden, ob und wie viele Kinder mit leichter geistiger
Behinderung sie aufnehmen.
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