Printed 16.08.2022 20:18 09-04-2007 Gerald Schubert
Viele glauben, über Roma irgendwie Bescheid zu wissen, sagt die
Mediendesignerin Michaela Janoch, und doch hätten die meisten kaum eine
Ahnung von ihnen. Den negativen oder auch positiv-romantischen
Vorurteilen, die das vorherrschende Roma-Bild prägen, hat Michaela Janoch
deshalb ihre Fotos entgegengesetzt. Fotos aus dem Alltag einer Prager
Roma-Familie, die sie im Laufe von fünf Monaten angefertigt und nun zu
einem Buch zusammengefasst hat.
"Ich bin hier 1975 geboren, und meine Eltern sind 1982 nach Deutschland emigriert. Ich bin in Stuttgart aufgewachsen und habe dort die meiste Zeit meines Lebens verbracht." Jetzt sind Sie im Rahmen Ihrer wissenschaftlichen und künstlerischen Arbeit nach Prag zurückgekommen: Sie haben hier einen Fotoband gestaltet. Worum handelt es sich dabei konkret? "Vor zirka einem Jahr bin ich zurückgekommen und habe hier meine Diplomarbeit gemacht. Ich habe in Nürnberg an der Fachhochschule studiert, im Fachbereich Gestaltung und Mediendesign. Nun habe ich einen Bildband über eine Roma-Familie gestaltet, die ich fünf Monate lang begleitet habe. Ich habe sie zuhause in ihrem Umfeld fotografiert und ihr Leben, ihren Alltag dokumentiert." Roma stehen in den meisten Ländern einer gehörigen Portion Vorurteilen gegenüber, umgekehrt prägt das auch wieder das Bild, das die Roma von der Mehrheitsgesellschaft haben. Ich könnte mir vorstellen, dass es nicht so leicht war, überhaupt einen Zugang zu der Familie zu finden. Wir sprechen immerhin von einem Fotoband. Das heißt, Sie haben sich mehrere Monate lang mit der Kamera in der Hand im Lebensumfeld dieser Familie bewegt. Wie konnten Sie überhaupt das Vertrauen der Familie gewinnen?
"Da gibt es eine Mutter, die hat fünf Töchter, und ihren Lebensgefährten. Und den Lebensgefährten der ältesten Tochter. Alle haben zusammen in einer Zweizimmerwohnung gewohnt. Die jüngste Tochter ist fünf, die älteste ist neunzehn." Wie heißt das Buch? "Das Buch hat den Titel Amaro Kher. Das ist Romani und bedeutet Unser Zuhause." Was haben Sie im Zuhause der Roma beobachten können, was besonders interessant oder auch besonders überraschend war? "Was mir aufgefallen ist und was ich so nicht erwartet hatte, war die Abwesenheit der Männer. Sie waren eigentlich nicht oft zu Hause. Als ich dorthin gekommen bin, hatte der Mann keine Arbeit, aber er hat Metall gesammelt und versucht, es nachher zu verkaufen. So war er von morgens bis abends nicht da. Die Mutter war mit den Kindern meistens alleine. Aber es kam täglich Besuch, von Freunden oder Nachbarn, Klatsch und Tratsch wurden ausgetauscht, die Kinder sind rein und raus gerannt - es war teilweise sehr heiter."
Kann man das Buch kaufen? "Nein, es ist eine Diplomarbeit. Es gibt insgesamt nur vier Exemplare, die ich selbst produziert und finanziert habe. Aber es sind Ausstellungen geplant: Ich bin jetzt in Kontakt mit dem Roma-Museum in Brünn. Und in Nürnberg, wo ich studiert habe, gibt es ein Kulturzentrum, das auch Interesse an einer Ausstellung hat."
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