Drei tschechische Teams bei Fußballbegegnungsfest in Leipzig
Die Fußball-WM in Russland ist noch nicht zu Ende, doch gekickt wird
ebenso überall auf der Welt. Bei den Großen wie den Kleinen. Ein nicht
ganz alltägliches Nachwuchsturnier fand am vergangenen Wochenende in
Leipzig statt: Das Internationale Fußballbegegnungsfest, an dem auch drei
Mannschaften aus Tschechien teilnahmen.
Das Internationale Fußballbegegnungsfest ist ein Nachwuchsturnier für
C-Junioren-Mannschaften, also Spielern, die zwischen 14 und 15 Jahre alt
sind. Das Turnier selbst ist noch jünger, verrät sein Cheforganisator
Christoph Schuhmacher:
„Wir richten das Turnier um den Max- und Leo-Bartfeld-Pokal seit 2015
aus. Wir erinnern damit an den ehemaligen jüdischen Fußballverein SK Bar
Kochba Leipzig, das Schicksal und den Lebensweg seiner Mitglieder, die
unter dem NS-Terrorregime ermordet worden sind. Und da erinnern wir
stellvertretend an die zwei Brüder Max und Leo Bartfeld, die den Verein
gegründet haben.“
Als Leiter des Leipziger Bildungszentrums Georg weiß Schuhmacher zudem,
wie wichtig gerade die soziale Komponente für Jugendliche im
Vor-Erwachsenen-Alter ist:
„In diesem Altersbereich ist es besonders gut, das Rahmenprogramm
aufzunehmen. Dies ist die soziale Prägephase. In der ist es uns besonders
wichtig, dass wir dieses Programm dann auch mit den Kindern erleben
können. Es ist sehr breit gefächert.“
Zu diesem Rahmenprogramm gehörte neben Vorträgen und Erkundungstouren zur
jüdischen Sporthistorie diesmal auch die Aufführung des Theaterstücks
„Juller“ über den deutschen Fußballnationalspieler jüdischer
Herkunft Julius Hirsch. Das Hauptanliegen des Turniers aber ist natürlich
die sportliche und persönliche Begegnung junger Menschen. Und daran nahmen
in diesem Jahr gleich drei Mannschaften aus Tschechien teil: der SK Hakoah
aus Prag, der FK Mongaguá aus Ústí nad Labem / Aussig sowie eine
Mannschaft des staatlichen Jugendzentrums in Mähren, das DDM Blansko.
Während die beiden letztgenannten Teams in Leipzig als Turnierneulinge
anreisten, kam der SK Hakoah – ein Klub der jüdischen Minderheit
einschließlich der Lauder-Schule in Prag – bereits zum dritten Male in
die sächsische Messestadt. Schon bei ihrer Premiere im Jahr 2016 konnten
die Jungen von der Moldau überzeugen, erinnert sich Schuhmacher:
„Uns verbindet inzwischen durch die zweimalige Teilnahme von Hakoah Prag
eine sehr gute Freundschaft. Es sind neue Aspekte eingeflossen. Die Spieler
von Hakoah haben gerade beim ersten Mal auch sportlich sehr überzeugt. Sie
haben den dritten Platz geholt. Das war damals sehr beachtlich. Es findet
ein reger Austausch statt, also genau das, was uns wichtig ist.“
Und Schuhmacher erzählt auch eine nette Episode über die Hauptstädter:
„Beim ersten Mal war es so, dass es hieß, man könne nicht Fußball
spielen, man wäre mit dem vorletzten Platz zufrieden. Wenn man dann den
dritten Platz holt und gegen deutsche Regionalligisten nur knapp verliert,
dann zeigt das, man hat sich wirklich unterschätzt. Die Jungs konnten
wirklich gut kicken.“
Für eine gute Vorbereitung des Turniers einschließlich einer wohligen
Atmosphäre ist Cheforganisator Schuhmacher kein Weg zu weit. Zwei Tage vor
Beginn des Turniers am Freitag war er mit einem Betreuerstab extra nach
Prag gekommen, um das Team des Vorjahressiegers, den NC Pardes Hana-Karkur,
direkt vom Flughafen abzuholen. Doch nicht nur auf die jungen Israelis
freute sich der emsige Bildungskoordinator, sondern ebenso auf eine
Mannschaft junger Roma aus Ústí nad Labem:
„Eine Mannschaft ist uns besonders wichtig gewesen, das ist das Roma-Team
aus Ústí nad Labem. Wir wollten ihnen einfach eine Perspektive geben und
sagen, dass das wie eine Wildcard ist. Wir übernehmen die Kosten als
Verein für dieses Roma-Team. Die meisten von ihnen haben Tschechien noch
nie verlassen. Sie leben in sehr schwachen sozialen Verhältnissen. Das
Besondere daran ist, dass dem Initiator des Roma-Teams eine schulische
Ausbildung sehr wichtig ist. An diesem Turnier darf nur derjenige
teilnehmen, der auch gute schulische Noten hat. Er fördert so seine Kinder
nach dem Grundsatz: ´Wenn ihr gute Noten habt, dann könnt ihr zu diesen
besonderen Events mitkommen´. Das ist Klasse und es freut uns natürlich,
dass dies möglich gemacht wird.“
Der Trainer und Gründer des Fußballteams FK Mongaguá ist Lukáš Pulko.
Gegenüber Radio Prag bestätigte er die strengen Auswahlkriterien für
seine Spieler:
„Das erste Kriterium für die Jungs, die zum Turnier fahren, sind ihre
schulischen Leistungen. Zum Zweiten spielen natürlich die sportlichen
Aspekte eine Rolle, und schließlich achte ich darauf, wie sich die
Burschen in ihrer Freizeit benehmen. Ich habe sie ständig im Blick, denn
wir wohnen in der gleichen Plattenbausiedlung in Ústí. Das heißt, ich
weiß eigentlich alles über sie. Eine Teilnahme an Turnieren, und speziell
für dieses Turnier in Leipzig, ist also nur jenen Jungs vorbehalten, die
sich das auch verdient haben."
Die konsequenten Prinzipien gehen letztlich auch mit dem Zweck einher, für
den Pulko diesen Verein gegründet hat:
„Es ist jetzt schon drei Jahre her, als ich damit begonnen habe, die
Jungen des FK Mongaguá zu trainieren. Der Antrieb dazu war der, dass ich
nicht länger zusehen wollte, wie diese Kinder ihre Zeit vertrödeln. Zudem
besteht in dem Milieu, in dem die Kinder leben, die große Gefahr, dass sie
mit Drogen in Berührung kommen. Durch den Fußball aber will ich sie von
der Straße wegholen und somit auch von den Drogen.“
Eine sehr vorbildliche Einstellung, die schon bald auch einige
Unterstützer fand. Zum Beispiel durch einen brasilianischen Futsalspieler,
der zudem mit dem Namen des Vereins unmittelbar in Verbindung steht:
„Mongaguá ist eine Stadt in Brasilien. Der Name unseres Vereins entstand
dadurch, dass der Brasilianer Rodrigo Taverna, der für den nordböhmischen
Klub aus Litoměřice Hallenfußball spielt, mir einen Satz Trikots aus
seiner Heimatstadt schenkte. Als ich die Dresse dann an die Kinder
übergab, kam spontan die Idee, dass wir unseren Klub nach dieser Stadt
benennen.“
Aus dieser Idee ist nicht nur ein toller Freizeitspaß geworden, sondern
seine Jungs können mittlerweile auch ganz gut kicken. Und auch in ihrer
Persönlichkeitsentwicklung seien sie ein gutes Stück vorangekommen,
bemerkt Pulko:
„Es ist mein Hauptanliegen, dass sich die Burschen in jeder Hinsicht
verbessern. Die Fortschritte sehe ich bei jedem Jungen und auch Mädchen,
die in unserem Verein spielen. Ich nenne nur ein Beispiel: Ein Knabe wog zu
Beginn unserer Zusammenarbeit 100 Kilo und hatte ebenso psychische
Probleme. Jetzt wiegt er nur noch 50 Kilo, und aus ihm ist ein hübscher
Junge geworden.“
Zum Lohn für ihren Fleiß und ihr Engagement durften nun die besten
Mitglieder des Vereins am Fußballbegegnungsfest in Leipzig teilnehmen. Auf
die Frage, mit welchen Ambitionen sie in die größte Stadt Sachsens
reisen, antwortete Pulko prompt:
„Wir wollen dort gewinnen!“
Mit einem etwas mehr realistischen Nachsatz aber ergänzte er:
„Für mich und die Jungs ist es der größte Gewinn, dass wir es quasi
von der Straße bis zu diesem internationalen Turnier in Leipzig geschafft
haben. Das ist für uns der wichtigste Sieg überhaupt!“
Während das Roma-Team und die Mannschaft aus Blansko in Leipzig also ihre
internationale Feuertaufe erlebten, fuhren die jungen Vertreter des SK
Hakoah aus Prag das dritte Mal zum deutschen Nachbarn. Doch für die
Spieler der aktuellen Truppe ist das Leipziger Turnier ebenfalls Neuland,
informierte die Vorsitzende des jüdischen Vereins, Zuzana Jančaříková,
vor der Abreise:
„Wir hoffen, dass wir erneut überraschen können. Für ein gutes
Ergebnis soll ein neues Team sorgen, denn die Spieler der vorherigen
Mannschaft sind der geforderten Altersklasse schon entwachsen. Das neue
Team wird ausnahmslos von Jungen der Lauder-Schule gebildet.“
Der Kapitän der neuen Mannschaft heißt Joel Sidon. Vor dem Turnier zeigte
er sich optimistisch:
„Wir gewinnen!“
Doch wie ist das Turnier, das heißt die beiden Wettbewerbe, die in Leipzig
ausgespielt worden, denn nun ausgegangen? Darüber sprachen wir am Telefon
mit Cheforganisator Christoph Schumacher:
„Beim sogenannten Herzenswettbewerb hat die Mannschaft aus Blansko einen
hervorragenden zweiten Platz belegt. Im Hauptturnier kam der SK Hakoah nur
auf den 16. und letzten Platz. Dagegen ist aber das Roma-Team in die zweite
Platzierungsrunde gekommen. In ihr wurden die Plätze fünf bis acht
ausgespielt, und meines Wissens ist Mongaguá dort ein hervorragender
siebter Platz gelungen. Das ist eine sehr gute Bilanz bei diesem
hochkarätig besetzten Turnier.“
Nach Informationen von Schuhmacher war das neue Team des SK Hakaoh durch
seine dünne Spielerzahl gehandicapt. Es reiste nur mit sechs Akteuren an,
so dass jeweils Leihspieler aus Blansko hinzugezogen werden mussten, um die
Mindestzahl von sieben Spielern zu erreichen. Der FK Mongaguá wiederum
hatte das Pech, trotz einer Vorrunde ohne Niederlage nur Gruppenzweiter
geworden zu sein. Dabei haben die Roma-Jungen die Finalrunde um die Plätze
1 bis 4 nur wegen des um ein Tor schlechteren Torverhältnisses verpasst!
Dafür seien sie für das gesamte Begegnungsfest eine echte Bereicherung
gewesen, sagt Schuhmacher:
„Die Jungs aus Ústí waren restlos begeistert. Sie haben das
Kulturprogramm neben dem Fußball förmlich aufgesogen. Sie waren bei jeder
Veranstaltung, die es im kulturellen Bereich gab, immer die Ersten und
blieben bis zum Schluss dabei. Sie haben sich gefreut, dass sie das machen
konnten. Sie haben die sozialen Netzwerke mit vielen Beiträgen gefüllt
und gezeigt, wie gut es ihnen gefallen hat.“
So wie den Jungs aus Ústí erging es aber auch den anderen Teilnehmern,
und zum Abschluss des diesjährigen Turniers sei auch schon indirekt der
Startschuss für das nächste Fußballbegegnungsfest gefallen, versicherte
Schuhmacher:
„Wir haben gleich nach so manchem Spiel oder direkt nach dem Turnier
viele Zusagen bekommen. Das war erstaunlich. Das zeigt, wie hoch die
Wirkungskraft ist sowie die Freude der Jugendlichen an dem Turnier. Ich
würde mich freuen, einige der Teilnehmer wieder zu sehen. Also auf ein
Neues im Jahr 2019!“
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