Okamura unter Druck wegen Äußerungen zu KZ Lety
Der Chef der Partei „Freiheit und direkte Demokratie“ hat die
menschenverachtenden Zustände im Roma-Konzentrationslager Lety während
des Kriegs heruntergespielt. Nun drängen Abgeordnete darauf, Tomio Okamura
als stellvertretenden Parlamentsvorsitzenden abzuwählen.
Äußerungen von Politikern der Partei „Freiheit und direkte
Demokratie“ (SPD) haben zu einem Aufschrei geführt. Allen voran geht es
um Aussagen des Vorsitzenden Tomio Okamura. Der tschechisch-japanische
Unternehmer behauptete vergangene Woche, dass das Roma-KZ im
südböhmischen Lety nicht mit Stacheldraht umgeben gewesen wäre und sich
die Insassen dort frei hätten bewegen können. Dies sagte er einer
Reporterin des Internet-Fernsehkanals DVTV.
Doch damit widersprach er eindeutig den Fakten. Jan Hauer ist der Sohn
einer Romni, die während des Zweiten Weltkriegs in Lety eingesperrt war:
„Das Lager war komplett von Stacheldraht umgeben, das weiß ich von
meiner Mutter. Und dort patrouillierten tschechische Wärter mit
Pistolen“, so der 70-jährige Mann im Tschechischen Fernsehen.
In Lety bestand ab 1939 zunächst ein sogenanntes Arbeitslager, das die
Regierung im Protektorat vor allem für Roma eingerichtet hatte. Dann
übernahmen die Deutschen die Aufsicht und sprachen von einem
„Zigeunerlager“. Mehr als 300 Menschen starben dort an den Folgen von
Unterernährung, körperlicher Schwerstarbeit und Seuchen. Die anderen
wurden in die Vernichtungslager deportiert und dort umgebracht. Die
tschechische Regierung möchte in Lety nun eine Gedenkstätte einrichten
und hat deswegen eine Schweinefarm am Ort des Lagers aufgekauft.
Mittlerweile gibt es von Okamura unterschiedliche Reaktionen auf die Kritik
an seinen Äußerungen. Einmal nimmt er diese in Teilen zurück, ein
andermal beruft er sich weiter auf den Historiker Jan Rataj. Dieser
leugnet, dass auch Lety dem Völkermord an den Roma gedient hat. Ähnliche
Aussagen wie Okamura hatte im vergangenen Jahr schon sein Parteikollege
Miloslav Rozner getroffen – bei einem nicht-öffentlichen Parteitag der
SPD. Er nannte Lety ein „nicht existentes Pseudo-Konzentrationslager“.
Die Roma-Organisation Konexe hält all diese Thesen für eine Leugnung des
Völkermords. Sie und das Museum für die Kultur der Roma haben von Okamura
daher eine umfassende öffentliche Entschuldigung gefordert. Auch Politiker
sind empört. Denn der SPD-Chef ist stellvertretender Vorsitzender des
tschechischen Abgeordnetenhauses. Die Christdemokraten sagen nun:
„Wir verurteilen die Äußerungen von SPD-Politikern über die jüngere
Geschichte, bei der historische Wahrheiten angezweifelt werden – und eine
solche ist der Holocaust. Als Reaktion initiieren wir Gespräche darüber,
Tomio Okamura von seinem Posten als stellvertretender Vorsitzender des
Abgeordnetenhauses abwählen zu lassen“, so Vize-Christdemokratenchef Jan
Bartošek am Dienstag.
Auch weitere konservative Parteien unterstützen den Vorstoß, so die
Bürgermeistervereinigung Stan und die Top 09. In Erwägung ziehen dies
zudem die Parlamentarier der Bürgerdemokraten und manche Sozialdemokraten.
In seine Funktion gebracht wurde Okamura außer von den Abgeordneten seiner
SPD noch von den Vertretern der Regierungspartei Ano und den Kommunisten.
Dass diese parlamentarische Mehrheit kippen könnte, hält aber
beispielsweise der Sozialdemokrat und ehemalige Außenminister Lubomír
Zaorálek nicht für denkbar:
„Ich glaube nicht, dass sich die Gewichte im Abgeordnetenhaus jetzt
verändert haben. Ich würde es daher begrüßen, wenn sich Herr Okamura
für seine Äußerungen entschuldigt. Und er sollte besser achtgeben und
lieber zweimal überlegen, bevor er etwas sagt.“
Der Polizei liegen aber bereits Anzeigen gegen Okamura und Rozner vor. Eine
stammt vom Verein Konexe, weitere von den jungen Sozialdemokraten sowie dem
Senator Tomáš Czernin von Top 09.
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