Roma erinnern an Völkermord – und fordern eine würdige Gedenkstätte in
Lety
Am 2. August wird in ganz Europa an die Opfer des Porajmos, des
Völkermords an den europäischen Sinti und Roma erinnert. Der Gedenktag
bezieht sich auf die Nacht vom 2. zum 3. August 1944, damals ermordeten die
Nazis im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau fast 3000 Sinti und Roma.
Weil darunter auch viele tschechische Roma waren, wurde am Dienstag
hierzulande ihrer gedacht.
Einer der Gedenkakte fand auf dem Gelände des ehemaligen
Konzentrationslagers für Roma im südböhmischen Lety statt.
Menschenrechtler weisen schon seit Jahren darauf hin, dass der
Erinnerungsort seit den 1970er Jahren durch eine Schweinemast entweiht
wird. Auch Kulturminister Daniel Herman (Christdemokraten) war am Dienstag
in Lety. Er deutete an, dass die Regierung Fortschritte erzielt habe bei
den Bemühungen um die Beseitigung der Schweinemast:
„Ich bin davon überzeugt, dass keine der vergangenen Regierungen so
nahe einer Vereinbarung über die Beseitigung der Schweinefarm war. Ich
glaube daran, dass unsere Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode das
Problem auf würdige Weise lösen kann.“
Wegen der laufenden Verhandlungen nannte der Kulturminister keine weiteren
Details. Um den Aufkauf und den Abriss des Schweinehofs in Lety bemühen
sich die tschechischen Regierungen seit 18 Jahren. Während der deutschen
Besatzung wurden in Lety mehr als 1300 Roma interniert. 327 von ihnen
starben dort, mehr als 500 wurden nach Auschwitz verschleppt.
Der Roma-Aktivist Jozef Miker erzählt, er habe lange nicht geahnt, dass
es in Lety ein KZ für Roma gegeben habe. Erst von seiner Frau habe er
davon erfahren:
„Der Großteil der Vorfahren meiner Frau ist in Lety gestorben, weitere
Verwandte wurden nach Auschwitz verschleppt. Von der ganzen sehr großen
Familie überlebten fünf Menschen. Es stimmt nicht, dass die Gefangenen in
Lety nur am Typhus starben, wie manchmal behauptet wird. Die Menschen
verschwanden dort einfach, ohne dass es jemand bemerkt hat. Ihre Eigentum
wie Pferde oder Wagen wurden an die Bauern in der Nachbarschaft
verkauft.“
Es sei traurig, dass während des Kommunismus auf dem Gelände des
einstigen KZ ein Schweinemastbetrieb errichtet wurde und dass man darüber
damals nicht sprechen durfte, sagte Jozef Miker.
„Noch schlimmer ist aber, dass die Schweinemast auch 27 Jahre nach der
politischen Wende immer noch steht. Wenn sie nicht abgerissen wird,
bedeutet dies, dass die Roma in Tschechien weiterhin nicht geachtet werden.
Wir müssen uns ja nicht gerade lieben, aber wir sollten in gegenseitiger
Achtung und Toleranz leben.“
An einigen Orten in Prag wurde am Dienstag die Flagge der Roma gehisst,
darunter am jüdischen Rathaus in der Maisel-Straße und vor dem Sitz der
Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder. Der evangelische Pfarrer
Mikuláš Vymětal über die Gründe:
„Der Völkermord an den Roma und Sinti ist in der tschechischen
Gesellschaft fast ein Tabu-Thema. Es gibt zwei Bücher über das
Konzentrationslager in Lety: Das eine stammt vom US-Amerikaner Paul
Polansky und das andere von dem Deutschen Markus Pape. Dies ist ein wenig
absurd, aber die Realität sieht so aus, dass die tschechische Gesellschaft
nur die Leiden von bestimmten Bevölkerungsgruppen – beispielsweise von
Tschechen oder Juden – anerkennen will, aber nicht die Leiden der Roma.
Darin spiegelt sich die Beziehung der tschechischen Gesellschaft zu den
Roma sowie zur eigenen Geschichte. Aus dieser Perspektive haben wir die
Ereignisse des Zweiten Weltkriegs noch nicht bewältigt.“
Die Tschechoslowakische Hussitische Kirche initiierte am Dienstagabend im
Stadtteil Žižkov ein Treffen mit Zeitzeugen des Völkermords und ihren
Nachkommen. Im Rahmenprogramm traten ein Roma-Tanzensemble und eine
Roma-Rap-Band auf, serviert wurden Spezialitäten der Roma.
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