Brünn startet Pilotprojekt: Sozial betreutes Wohnen für arme Familien
In den zurückliegenden Jahren ist die Zahl der Armenviertel in Tschechien
gestiegen. In diesen ghettoartigen Siedlungen leben meist Roma, die es
ohnehin schwer haben bei der Suche nach Arbeit und Wohnung. Die Stadt Brno
/ Brünn startet daher am Mittwoch ein hierzulande neues
Sozialwohnungsprojekt.
„Die Bronx“ – so heißt umgangssprachlich das größte Armenviertel
in Brünn. Es liegt relativ nah am Stadtzentrum. Auf mehrere Häuser
verteilt leben dort etwa 8000 bis 9000 arme Menschen. Rund 7000 von ihnen
sind Roma, und die allermeisten haben keine Arbeit. Aber auch andernorts in
der südmährischen Stadt bestehen Armensiedlungen, wenn auch kleinere.
Für viele Bewohner ist das Problem, dass sie bei den Mieten gnadenlos
abgezockt werden. Beata hat zwei Kinder und bezieht Sozialhilfe. Gegenüber
den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks schildert sie:
„Ich habe eine Einzimmerwohnung, da wurde in eine größere Wohnung
einfach eine Wand reingezogen – aus eins mach zwei. Und dafür zahle ich
12.000 Kronen. In staatlichen Wohnungen zahlt man viel weniger.“
12.000 Kronen, das sind umgerechnet fast 450 Euro. So viel kostet in
Brünn eigentlich eine Dreizimmerwohnung.
Viele Menschen aus den Armensiedlungen hätten gerne andere Unterkünfte.
Doch auf dem Wohnungsmarkt sind sie meist chancenlos. Deswegen lanciert der
Brünner Magistrat nun das Projekt Rapid Re-Housing. 50 Familien mit
Kindern sollen bis Ende des Jahres städtische Wohnungen erhalten. Dabei
werden die bestehenden Mietparteien nicht darüber informiert, dass ihre
neuen Nachbarn aus einem Armenviertel kommen. Die Neumieter erhalten zudem
Unterstützung durch Sozialarbeiter. Martin Freund von der Initiative Žít
Brno engagiert sich als Stadtverordneter im Bereich Wohnen und leitet den
Ausschuss für Minderheiten:
„Der Sozialarbeiter sollte mindestens einmal pro Woche bei der Familie
vorbeischauen. Er soll dabei helfen, dass die Wohnung in Ordnung ist und
die Beziehungen zu den Nachbarn klappen. Die Hilfeleistungen sollten sich
aber vor allem nach den Bedürfnissen der jeweiligen Familie richten und
nicht danach, was der Sozialarbeiter für gut hält.“
Das Vorbild dafür stammt aus Amsterdam. Dort habe das entsprechende
Projekt fast zu einhundert Prozent Erfolg gehabt, sagt Martin Freund. Der
Brünner Magistrat hat jedenfalls 450 Familien ausgewählt, die in Frage
kommen. Wer letztlich die Glücklichen sind, wird ausgelost. Am Mittwoch
wird über die ersten zehn Wohnungen entschieden. Beata gehört jedoch
nicht zu den Kandidaten.
„Bevorzugt werden Leute, denen die Wohnung gekündigt wurde“, so
Beata.
Was in Brünn probiert wird, gilt als Pilotprojekt in Tschechien. Schon
jetzt herrscht aber auch andernorts Interesse. Beispielsweise in Varnsdorf
/ Warnsdorf an der Grenze zu Sachsen. Dort besteht eine Armensiedlung mit
etwa 800 Menschen. Josef Hambálek von der Partei Ano ist stellvertretender
Bürgermeister:
„Wir werden sicher abwarten, wie das in Brünn ausgeht, welcher Erfolg
dort erzielt wird. Und wir wollen einen ähnlichen Weg einschlagen.“
In Brünn sind im Übrigen noch weitere Projekte geplant, um Armen zu
helfen.
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