(Keine) Realität für Roma – Urteil gegen Diskriminierung auf dem
Wohnungsmarkt
Reality – damit wird im Tschechischen der Immobilienmarkt bezeichnet,
also die Miete oder der Kauf von Wohnungen und Häusern. Die Realität für
die Roma-Minderheit auf diesem Markt sieht aber trübe aus. Den Beweis
dafür erbracht hat Lenka Balogová. Im Auftrag der tschechischen
Ombudsfrau bewarb sie sich um eine Wohnung und wurde von der Maklerin wegen
ihrer ethnischen Herkunft abgelehnt. Ein Gericht hat das nun für
unzulässig erklärt. Für die Menschenrechtsorganisationen im Land ist es
ein Präzedenzfall.
NGOS und Hilfsorganisationen kritisieren die Benachteiligung von Roma auf
dem tschechischen Wohnungsmarkt seit langem. Veronika Navrátilová ist
Anwältin bei der Vereinigung „IQ Roma Servis“.
„Wenn jemand zur ethnischen Gruppe der Roma gehört, interessiert die
Eigentümer alles Weitere gar nicht mehr, sie sehen Roma als potentielle
Gefahr. Daher glauben wir, dass ihre Chancen auf eine menschenwürdige
Wohnung außerhalb von Roma-Ghettos fast bei null liegen – wegen der
Ethnizität.“
Dass es sich nicht um haltlose Vorwürfe handelt, hat nun ein sogenannter
Situationstest gezeigt. Die Romni Lenka Balogová bewarb sich im Auftrag
der tschechischen Ombudsfrau um eine Wohnung in Ustí nad Labem / Aussig an
der Elbe. 2013 war das, und Balogová erhielt für eine konkrete Wohnung
eine Absage per Telefon. Mitte August hat ein Gericht in Litoměřice /
Leitmeritz entschieden, dass sich die Maklerin dafür entschuldigen muss.
Miroslav Dvořák ist Leiter der Beratungsstelle für Bürger- und
Menschenrechte in Prag. Seine Organisation hat den Situationstest im Kreis
Ustí durchgeführt. Für ihn ist das Urteil ein Durchbruch im Kampf gegen
Diskriminierung:
„Es ist überhaupt das erste Urteil dieser Art in Tschechien. Das
Gericht hat entschieden, dass es sich bei der Ablehnung von Frau Balogová
um Diskriminierung, und zwar um direkte Diskriminierung handelt. Die
Richter bezogen sich darauf, dass die Makleragentur abgelehnt hat, ihr
wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit eine Wohnung zu vermitteln. Die
Agentur hat die Maklerin selbst nach der ethnischen Zugehörigkeit
gefragt.“
Nach dem Urteil regte sich auch Kritik. Die Schuld in dem Fall liege beim
Besitzer der Immobilie und nicht beim Makler, hieß es zum Beispiel. Für
Miroslav Dvořák ist das kein Argument:
„Die Makler müssen ihrer Arbeit anständig und in Übereinstimmung mit
den Rechtsvorschriften hierzulande nachgehen. Das heißt, sie müssen jedem
die Besichtigung einer freien Wohnung ermöglichen. Wenn also ein Vermieter
sagt, dass er eine bestimmte Minderheit nicht haben will, muss ihm der
Makler seine Dienste verweigern.“
Für Ombudsfrau Anna Šabatová – initiiert hatte den Test noch ihr
Vorgänger Pavel Varvařovsky – werden auch die Eigentümer in keiner
Weise in ihrem Recht beschnitten. Sie könnten ihre Mieter weiter selbst
auswählen.
„Sie können danach fragen, ob die Interessenten die Miete bezahlen
können und welches Einkommen sie haben. Sie können auch eine Kaution oder
Sicherheit verlangen und Angaben darüber, wie viele Personen in eine
Wohnung einziehen wollen. Sie können vereinbaren, dass jemand Referenzen
beibringen muss. Das ist alles möglich, doch niemand, der ein guter Mieter
sein könnte, darf von Anfang an abgelehnt und diskriminiert werden.“
Als Resultat der juristisch ermittelten Diskriminierung gab es in dieser
Woche ein erstes Treffen zwischen Anna Šabatová und der Vereinigung der
Makler in Tschechien – mit positiven Ergebnissen, wie die Ombudsfrau
danach sagte. Auch der konkrete Fall Balogová ist noch nicht
abgeschlossen. Eine Entschädigungsforderung von 100.000 Kronen hatte das
Gericht Litoměřice zurückgewiesen. In der vergangenen Woche hat Lenka
Balogová dagegen Berufung eingelegt.
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