Erneuter Anlauf: Regierung beschließt Strategie zur Integration von Roma
Etwa 200.000 bis 250.000 Roma leben in Tschechien. Viele von ihnen hausen
unter Bedingungen, die eher an Afrika erinnern als an Europa. Die Mauern
zur Mehrheitsgesellschaft sind hoch, wenn auch nicht sichtbar. Nun hat die
Regierung beschlossen, Brücken hinüber zu bauen – mit einem neuen
Konzept zur Integration von Roma.
Seit Jahren bereits kritisieren internationale
Menschenrechtsorganisationen, dass in Tschechien viel zu wenig für Roma
unternommen werde. Immer mehr Angehörige dieser Minderheit rutschen in die
Armut, die Pläne früherer Regierungen haben nur wenig geholfen, um dies
zu verhindern. Das derzeitige Mitte-Links-Kabinett hat nun am Montag eine
neue Strategie bis 2020 verabschiedet. Entworfen wurde sie vom Minister
für Menschenrechte und Gleichberechtigung, Jiří Dienstbier:
„Die Integration der Roma-Minderheit ist auch eines der dringendsten
sozialen Probleme derzeit. Wenn uns diese Integration nicht gelingt, werden
alle darunter leiden, ebenso die Mehrheitsgesellschaft. Die neue Strategie
behandelt alle Teilprobleme, die dazu geführt haben, dass die Integration
bisher nicht zufriedenstellend geregelt wurde.“
Der Vizeminister des Ressorts, David Beňák, erläuterte gegenüber den
Medien, dass Roma vor allem mit drei Problemen zu kämpfen hätten:
„Das ist zum einen die Bildung. Uns geht es darum, dass Roma-Kinder in
normale Grundschulen und nicht in Sonderschulen kommen sollen und dort dann
auch bleiben. Dann handelt es sich selbstverständlich um die
Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt; sie existiert tatsächlich, wie eine
Reihe von NGOs bestätigt hat. Der dritte Bereich ist das Wohnen, hier
wurde bisher am Wenigsten unternommen. Es ist kaum Geld in diesen Bereich
geflossen, er wurde von den Politikern häufig einfach nicht beachtet.“
Mittlerweile leben etwa 80.000 tschechische Roma in ghettoartigen
Siedlungen mit heruntergekommenen Häusern, manchmal ohne fließendes
Wasser, häufig ohne Heizung. Das ist ein Drittel der Minderheit. Die Zahl
dieser Siedlungen ist seit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise gewachsen: von
300 im Jahr 2007 auf mittlerweile 400.
Dort entstehen auch die Probleme vieler Roma. Schon als Kinder biegt ihr
Weg dann ab von dem der Mehrheit. Der Nachwuchs geht nämlich meist nicht
in den Kindergarten. Dadurch fehlt es an der Vorbereitung für die
Schulzeit, und später heißt es Sonderschule anstatt reguläre
Grundschule. Die Strategie sieht viele kleine Projekte vor, um dies zu
ändern. Das begrüßt zum Beispiel Jana Vargovčíková von Amnesty
International:
„In vielen Roma-Familien ist es nicht üblich, die Kinder in den
Kindergarten zu schicken. Häufig ist die Mutter ohnehin zu Hause.
Außerdem belastet der Kindergartenbesuch den Geldbeutel, und es bereitet
Probleme, die Kinder überhaupt dorthin zu bringen.“
Sozialarbeiter im Terrain sollen künftig in solchen Fällen tätig
werden. Aber auch gegen die Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt sind
Projekte geplant. Vize-Ministerin Martina Štěpánková:
„Es geht darum, das Sammeln erster Berufserfahrungen zu unterstützen.
So könnten unterschiedliche Nichtregierungsorganisationen jungen Roma
Praktika anbieten. Denn gerade die Schulabgänger oder Hochschulabsolventen
haben das doppelte Problem, dass sie Roma sind und dazu noch ohne
Berufserfahrung.“
Zwar stammt die Strategie zur Integration von Roma aus dem Ministerium
für Menschenrechte und Gleichberechtigung. Doch müssen noch weitere
Ministerien nachziehen – so etwa das Ressort für Bildung. Minister Milan
Chovanec hat aber bereits ein neues Schulgesetz konzipiert, das auf
stärkere Integration setzt.
Finanziert werden sollen die angedachten Projekte im Übrigen vor allem
mit Geldern der EU.
|