Neonazi-Aufmärsche – Anwohner rufen zur Solidarität mit Roma auf
In insgesamt acht tschechischen Städten kam es am Samstag zum Aufmarsch
von Neonazis. Die Veranstaltungen hatten alle nur ein Ziel: gegen Roma
Stimmung zu machen. Im mährisch-schlesischen Ostrava / Ostrau mündete der
Aufmarsch in gewalttätigen Auseinandersetzungen.
Die Neonazis schmissen Böller und Flaschen, die Polizei antwortete mit
Tränengas. Der Aufmarsch in Ostrau verwandelte sich am Samstag in eine
Straßenschlacht. Die Bilanz: 21 Verletzte auf Seiten der Ordnungshüter
und vier auf Seiten der Rechtsradikalen. In der Stadt im Nordosten des
Landes sowie an drei weiteren Orten landeten über 100 Menschen in
Polizeizellen – meist waren es Neonazis, im westböhmischen Plzeň /
Pilsen aber auch einige Mitglieder antifaschistischer Gruppen.
Es ist nicht das erste Wochenende in diesem Sommer, an dem Rechtsradikale
zu Märschen gegen die Minderheit der Roma aufgerufen haben. Vor einigen
Wochen geriet České Budějovice / Budweis in die Schlagzeilen, weil es
dort nach einer solchen Veranstaltung zu Ausschreitungen gekommen war. Nun
also Ostrau. Der dortige Oberbürgermeister, Petr Kajnar von den
Sozialdemokraten, glaubt jedoch nicht, dass die Bewohner der Stadt an dem
Aufruhr beteiligt waren:
„Ich denke nicht, dass in Ostrau selbst eine besonders angespannte Lage
herrscht. Die Rechtsradikalen sind von außerhalb hierhergekommen.“
Insgesamt 2500 Neonazis sollen am vergangenen Wochenende auf den Straßen
gewesen sein, schätzte die tschechische Presse. Bei ihren Aktionen setzen
die Extremisten darauf, dass sich ihnen unzufriedene Anwohner anschließen.
Doch das geschah diesmal fast überhaupt nicht. Martin Šimáček ist
Regierungsbeauftragter für soziale Eingliederung, er hält die
Zurückhaltung der Anwohner für ein gutes Zeichen:
„Das heißt, dass sich die Bürger des Landes nicht auf die radikalen
Lösungsvorschläge der Neonazis einlassen. Wir können also zurückkehren
zu einer sachlichen Diskussion über das Problem soziale Ausgrenzung, das
leider an einigen Orten existiert.“
Besonders betroffen von der sozialen Ausgrenzung sind eben Roma. Das haben
auch internationale Bürgerrechtsorganisationen immer wieder kritisiert,
sie warnen deswegen vor der steigenden Roma-Feindlichkeit.
Vor fünf Jahren gründete die tschechische Regierung eine Agentur zur
sozialen Eingliederung. Diese Agentur betreut mittlerweile Projekte in 26
Städten des Landes. Und das mit Erfolg, sagt Martin Šimáček:
„Mir gibt es ein gutes Gefühl, dass an diesen Orten die Anwohner
offener sind für langfristige Lösungen. Wir kümmern uns darum, dass
soziale Dienste bereitstehen sowie Arbeitsmarkt und Wohnungsmarkt
funktionieren. Solche konstruktive Lösungen erkennen die Menschen an. Das
ist der Weg – und nicht der Radikalismus oder billiger Populismus von
Politikern.“
An den Orten der Neonazi-Aufmärsche fanden am Wochenende auch zahlreiche
Gegenveranstaltungen statt. In Pilsen taten sich zum Beispiel 19 Vereine
und Parteien zusammen, um für ein gutes Zusammenleben mit den Roma zu
demonstrieren.
|