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Menschenrechtsbeauftragte kritisiert Räumungsbefehl für Roma-Siedlung
07-08-2012 - Till Janzer
Eine Roma-Siedlung im mährisch-schlesischen Ostrava / Ostrau soll geräumt werden, wie wir schon am Montag berichtet haben. Das Bauamt des Stadtteils Přívoz hat gravierende Mängel an den neun Häusern festgestellt. Doch ein Teil der Bewohner weigert sich, seine Wohnungen zu verlassen. Nun haben sich Menschenrechtsorganisationen und die Beauftragte für Menschenrechte und Minderheiten eingemischt.

Foto: ČTK Die Räumung war am Freitag angeordnet worden, mit einer Frist bis Samstagnacht. Die Bewohner der Siedlung sollten in Wohnheime der Stadt umziehen. Über 20 Roma-Familien, teils mit Kindern, sind indes in ihren Wohnungen geblieben. Sie leben bereits seit den 80er oder 90er Jahren dort. Verzweifelt haben sie begonnen, selbst Hand anzulegen.

„Wir versuchen zu reparieren, was geht. Die Leute, die hiergeblieben sind, bemühen sich, sie sind alle schuldenfrei und wollen in einer funktionierenden Umgebung leben. Wir werden jetzt jeden Tag weitere Schäden beheben. Nach und nach wird alles ausgebessert“, sagte einer der Bewohner gegenüber den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks.

Foto: ČTK Die Beamten vom Bauamt waren am Montag erneut zur Kontrolle da. Die Ausbesserungsarbeiten haben sie zur Kenntnis genommen, doch den Räumungsbefehl wollen sie nicht zurücknehmen:

„Zwar hat sich der Zustand leicht gebessert, aber die grundlegenden Mängel wurden nicht beseitigt. Zum Beispiel regnet es weiter ins Dach, das Regenwasser wird nicht abgeleitet. Die Stromleitungen sind defekt, zum Teil sind sie aus der Wand gerissen. Die Wasserleitungen sind defekt, die Gasleitungen auch. Balken über Türen und Fenstern fehlen und so weiter. Die Gesundheit und das Leben der Menschen, die sich derzeit in den Häusern aufhalten, sind bedroht“, erklärte Amtsleiter Jiří Švarc.

Foto: ČTK Wie Švarc aber glaubt, seien die Ausbesserungsarbeiten vor allem eine Frage des Geldes, in nur wenigen Tagen ließe sich schon das erste Gebäude wieder bezugsfertig machen. Die Bewohner selbst haben aber weder das Geld, noch tragen sie die Verantwortung dafür. Der derzeitige Hauseigentümer Oldřich Roztočil hat die Gebäude vor zwei Jahren gekauft. Er wollte sie schon längst ausbessern lassen, doch muss zunächst die Kanalisation repariert werden. Auch das wäre wohl schon längst geschehen, wenn nicht ein Streit darum entbrannt wäre, wer für die Kanalisation verantwortlich ist. Die Stadt sagt, es sei der Hauseigentümer. Der Eigentümer behauptet das Gegenteil und kann dies sogar beweisen:

„Ich habe vor drei Monaten angefragt, wer Eigentümer der Kanalisation ist. Das Oberbürgermeisteramt hat mir schriftlich mitgeteilt, dass die Kanalisation Eigentum der Stadt Ostrau ist. Das ist die Antwort und nicht nur meine Meinung.“

Foto: ČTK Am Montag hat sich die tschechische Menschenrechtsbeauftragte Monika Šimůnková eingeschaltet. Sie kritisiert die Stadt Ostrau dafür, dass zwei Jahre lang die Kanalisation nicht ausgebessert wurde und dann vom einen auf den anderen Tag den Familien das Messer an den Hals gesetzt wurde:

„Laut meinen Informationen sollen die Familien in den Wohnheimen nur Mietverträge für einen Monat erhalten. Das ist doch keine Lösung. Außerdem sind die Preise dort hoch. Die Stadt oder der Stadtteil sollten zumindest den Familien, die ihre Verpflichtungen erfüllt haben, langfristige und adäquate Wohnmöglichkeiten anbieten.“

Šimůnková sagt, der Fall in Ostrau zeige, dass es an bestimmten Orten in Tschechien ein Problem sozialer Ausgrenzung gebe. Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen wollen nun am Mittwoch mit der Stadt Ostrau verhandeln.



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