Menschenrechtsbeauftragte kritisiert Räumungsbefehl für Roma-Siedlung
Eine Roma-Siedlung im mährisch-schlesischen Ostrava / Ostrau soll geräumt
werden, wie wir schon am Montag berichtet haben. Das Bauamt des Stadtteils
Přívoz hat gravierende Mängel an den neun Häusern festgestellt. Doch
ein Teil der Bewohner weigert sich, seine Wohnungen zu verlassen. Nun haben
sich Menschenrechtsorganisationen und die Beauftragte für Menschenrechte
und Minderheiten eingemischt.
Die Räumung war am Freitag angeordnet worden, mit einer Frist bis
Samstagnacht. Die Bewohner der Siedlung sollten in Wohnheime der Stadt
umziehen. Über 20 Roma-Familien, teils mit Kindern, sind indes in ihren
Wohnungen geblieben. Sie leben bereits seit den 80er oder 90er Jahren dort.
Verzweifelt haben sie begonnen, selbst Hand anzulegen.
„Wir versuchen zu reparieren, was geht. Die Leute, die hiergeblieben
sind, bemühen sich, sie sind alle schuldenfrei und wollen in einer
funktionierenden Umgebung leben. Wir werden jetzt jeden Tag weitere
Schäden beheben. Nach und nach wird alles ausgebessert“, sagte einer der
Bewohner gegenüber den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks.
Die Beamten vom Bauamt waren am Montag erneut zur Kontrolle da. Die
Ausbesserungsarbeiten haben sie zur Kenntnis genommen, doch den
Räumungsbefehl wollen sie nicht zurücknehmen:
„Zwar hat sich der Zustand leicht gebessert, aber die grundlegenden
Mängel wurden nicht beseitigt. Zum Beispiel regnet es weiter ins Dach, das
Regenwasser wird nicht abgeleitet. Die Stromleitungen sind defekt, zum Teil
sind sie aus der Wand gerissen. Die Wasserleitungen sind defekt, die
Gasleitungen auch. Balken über Türen und Fenstern fehlen und so weiter.
Die Gesundheit und das Leben der Menschen, die sich derzeit in den Häusern
aufhalten, sind bedroht“, erklärte Amtsleiter Jiří Švarc.
Wie Švarc aber glaubt, seien die Ausbesserungsarbeiten vor allem eine
Frage des Geldes, in nur wenigen Tagen ließe sich schon das erste Gebäude
wieder bezugsfertig machen. Die Bewohner selbst haben aber weder das Geld,
noch tragen sie die Verantwortung dafür. Der derzeitige Hauseigentümer
Oldřich Roztočil hat die Gebäude vor zwei Jahren gekauft. Er wollte sie
schon längst ausbessern lassen, doch muss zunächst die Kanalisation
repariert werden. Auch das wäre wohl schon längst geschehen, wenn nicht
ein Streit darum entbrannt wäre, wer für die Kanalisation verantwortlich
ist. Die Stadt sagt, es sei der Hauseigentümer. Der Eigentümer behauptet
das Gegenteil und kann dies sogar beweisen:
„Ich habe vor drei Monaten angefragt, wer Eigentümer der Kanalisation
ist. Das Oberbürgermeisteramt hat mir schriftlich mitgeteilt, dass die
Kanalisation Eigentum der Stadt Ostrau ist. Das ist die Antwort und nicht
nur meine Meinung.“
Am Montag hat sich die tschechische Menschenrechtsbeauftragte Monika
Šimůnková eingeschaltet. Sie kritisiert die Stadt Ostrau dafür, dass
zwei Jahre lang die Kanalisation nicht ausgebessert wurde und dann vom
einen auf den anderen Tag den Familien das Messer an den Hals gesetzt
wurde:
„Laut meinen Informationen sollen die Familien in den Wohnheimen nur
Mietverträge für einen Monat erhalten. Das ist doch keine Lösung.
Außerdem sind die Preise dort hoch. Die Stadt oder der Stadtteil sollten
zumindest den Familien, die ihre Verpflichtungen erfüllt haben,
langfristige und adäquate Wohnmöglichkeiten anbieten.“
Šimůnková sagt, der Fall in Ostrau zeige, dass es an bestimmten Orten
in Tschechien ein Problem sozialer Ausgrenzung gebe. Hilfs- und
Menschenrechtsorganisationen wollen nun am Mittwoch mit der Stadt Ostrau
verhandeln.
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