Von den Roma nach Rumänien: Journalistin und Mäzenin Jana Šustová
Sie ist Web-Editorin, Radio-Journalistin, Photographin und Kunstmäzenin.
Sie ist die erste Trägerin des Preises, der vom Museum für Roma-Kultur in
Brünn verliehen wird – und sie berichtet regelmäßig über das Leben
der Roma. In einem Gespräch mit Radio Prag erzählt sie aber auch über
ihre Liebe zu Rumänien. Jana Šustová ist unser Gast in der Sendereihe
Heute am Mikrophon.
Jana, wir haben uns im Jahr 2000 zum ersten Mal getroffen. Damals hast du
bei Radio Prag gearbeitet und die Beiträge der deutschen und der
russischen Redaktion für die Webseite verarbeitet. Aber bereits damals
hast du schon ein anderes Web-Projekt betreut?
„Das war eigentlich nicht mein eigenes Projekt. Die Roma-Webseite
existierte bei Radio Prag, bevor ich angefangen hatte. Kurz etwas zur
Geschichte: Die Webseite von Radio Prag ist eine der ältesten
Internetseiten in Tschechien überhaupt, sie entstand 1994. Und einige
Jahre später, im Jahr 1997 entstand bei Radio Prag die Webseite www.romove.cz.
Das war am Anfang für mich eigentlich ziemlich schwer, weil ich mich
vorher nie für diese Gruppe interessiert hatte.“
Du hast dann begonnen, dich für die Roma und ihre Kultur zu
interessieren. Hat dir diese intensivere Beschäftigung Überraschungen
gebracht?
„Ja, natürlich. Ich denke, ich war eine klassische Tschechin, die mit
der Muttermilch auch Vorurteile gegenüber den Roma aufgesaugt hat. Ich
hatte immer Angst, wenn ich durch eine Roma-Siedlung gehen sollte. Meine
Mutter stammt zum Beispiel aus einem Dorf in der Nähe von Telč. Dort gibt
es eine Roma-Siedlung, das sind ein oder zwei Häuser, in denen Roma
wohnen. Als Kind hatte ich immer Angst, dort vorbei zu gehen. Als ich dann
im Tschechischen Rundfunk die Roma-Redaktion ausgesucht hatte, war es für
mich wie ein Einbruch in eine neue Welt. Damals haben dort zwei Frauen
gearbeitet. Sie waren ganz spontan und haben mich zu den Roma mitgenommen.
Dadurch habe mich nach und nach besser orientiert. Sie haben auch dazu
beigetragen, dass ich begonnen habe, auch Gespräche für den Rundfunk zu
machen. Das wollte ich nie, ich dachte, ich kann schreiben, aber nicht
sprechen. Sie haben mir einfach in ihrer Spontaneität das Mikrophon in die
Hand gedrückt und gesagt, gehe mal zu dem und zu dem und mach ein
Interview. Und so hat es begonnen.“
Diese Roma-Webseite begleitet Dich bis heute. Für wen ist sie eigentlich
bestimmt. Für Roma oder für Leute, die über die Roma etwas mehr wissen
wollen?
„Sie ist für alle bestimmt. Die Internetstatistik sagt uns leider
nicht, ob Roma oder Nicht-Roma die Seite anschauen. Aber aufgrund der
Korrespondenz kann ich sagen, dass es meistens Studenten sind, die eine
Arbeit über die Roma schreiben, manchmal sind es Leute aus Organisationen,
die sich mit Roma beschäftigen und Kontakte suchen. Es sind auch
Journalisten aus dem Ausland, die Kontakte zu den Roma-Organisationen in
Tschechien suchen. Und auch Roma, die etwas über ihre Kultur erfahren
wollen oder einen Kontakt suchen. Ich bin eigentlich auch ein Vermittler,
der Kontakte zwischen den Leuten ermöglicht. Und das finde ich toll.“
Im Jahre 2009 hast Du den Preis des Museums für Roma-Kultur in Brünn
erhalten, als überhaupt erste Trägerin. Mit dem Preis wurde aber nicht
nur Deine Berichterstattung über die Roma ausgezeichnet, sondern Du bist
auch eine Mäzenin des Museums? Wie kommt es, dass man Kunstmäzenin wird?
„Das ist ganz lustig für mich, weil ich kein reicher Mensch bin und der
Begriff Mäzenin nicht so richtig zu mir passt. Ich wurde zur Mäzenin, als
ich zum ersten Mal nach Rumänien gefahren bin, zu einem Festival der
Roma-Kultur in Temeswar im Jahr 2007. Auf diesem Festival waren
verschiedene Roma-Handwerker, die Schmuck und andere Sachen hergestellt
haben. Ich habe dann im Museum für Roma-Kultur in Brünn angerufen und
gefragt, ob man daran interessiert ist, dass ich etwas für das Museum
anschaffe. Sie haben zugestimmt, und ich habe einige Sachen gekauft. Und
dann dachte ich, dass ich eigentlich als Christ auch etwas sponsern
könnte. Denn für Christen ist es normal, etwas der Kirche oder für
wohltätige Zwecke zu spenden. Ich habe mir gedacht, es wäre schön, das
Museum zu unterstützen. So hat es begonnen. Ich habe auch aus Belgien oder
von französischen Roma einige Gemälde und andere Sachen gekauft.
Eigentlich ist das für mich ein Abenteuer, weil es nicht so leicht ist.
Man muss immer suchen. Versuchen Sie mal, in eine Buchhandlung zu gehen und
nach einem Buch über die Roma zu fragen…“
Vor einigen Jahren hast Du eine neue Liebe gefunden – Rumänien. Das ist
erneut eine fremde Kultur, für die man sich hierzulande nicht besonders
stark interessiert – wie es auch im Falle der Roma-Kultur der Fall ist.
Was gefällt dir am Kennenlernen fremder Kulturen?
„Mit gefällt es, die Menschen kennenzulernen, andere Mentalitäten,
andere Sitten, andere Orte. Ich bin immer gespannt, wie man irgendwo lebt,
welche Sorgen man hat. Es ist ein Abenteuer. Ich denke, wir Tschechen sind
ein kleines Land und Volk, und wir brauchen es, uns nicht nur mit uns
selbst zu beschäftigen, sondern auch darüber hinaus zu blicken.“
Wie hat sich Dein Interesse für Rumänien entwickelt?
„Es hat mit der erwähnten Reise begonnen. Gleich in einem kleinen
Flugzeug von Budapest nach Temesvar habe ich das erste Mal in meinem Leben
die rumänische Sprache gehört und mich auf den ersten Blick verliebt.
Auch in Temesvar hat es mir sehr gut gefallen. Als ich nach Prag
zurückkehrte, habe ich geschaut, wo man Rumänisch lernen kann. Ich habe
das Rumänische Kulturinstitut entdeckt, wo es viele Veranstaltungen gibt.
Ich habe dort drei Jahre lang Sprachkurse gemacht. Nach dem Abschluss des
ersten Jahres sagte mir eine Kollegin aus dem Kurs, dass sie von einer Frau
aus dem Institut die Adresse eines orthodoxen Klosters bekommen hat, in dem
sie einen Aufenthalt von zwei bis drei Wochen machen kann. Sie reiste ins
Kloster Govora und als sie zurückkam, hat sie mir erzählt, wie schön es
war, wie gut die Schwestern dort sind. Ich wollte auch gleich hinfahren,
und im Jahr 2008 bin ich tatsächlich zum ersten Mal ins Kloster Govora
gefahren.“
Es folgten weitere Reisen nach Rumänien, Du hast sogar ein
Journalistenstipendium bekommen. Wofür war dieses Stipendium bestimmt?
„Das Stipendium wird jedes Jahr vom Rumänischen Kulturinstitut in
Bukarest an zehn Journalisten aus dem Ausland vergeben. Jeder Bewerber muss
ein Projekt vorlegen. Ich arbeite im Moment in der Redaktion für das
religiöse Leben des Tschechischen Rundfunks und betreue auch eine
Internetseite über die Religionen, daher habe ich mich mit einem Projekt
über Kirchendenkmäler und die Kirchengeschichte Rumäniens beworben. Dank
dem Stipendium konnte ich einen großen Teil Rumäniens bereisen, ich habe
photographiert und Gespräche mit Priestern, Mönchen, Historikern und
Ethnographen geführt. Es war sehr interessant.“
Interessenten haben im Moment die Möglichkeit, Deine Photos der
orthodoxen Klöster in Rumänien im Rumänischen Kulturinstitut in Prag zu
sehen. Die Ausstellung heißt „Festungen des Glaubens“ und ist noch
zwei Wochen zu sehen. Hast Du schon eine weitere Reise nach Rumänien
geplant, hast du weitere Pläne und Projekte?
„Ich weiß nicht, ob es richtige Projekte sind. Ich muss alles, was ich
dort aufgenommen und photographiert habe, noch verarbeiten. Natürlich
möchte ich auch in diesem Jahr noch nach Rumänien fahren, aber wohl eher
um Urlaub zu machen. Sicher möchte ich in das Kloster Govora fahren, aber
auch einige Freunde besuchen, die ich in Rumänien gefunden habe. Es ist
ganz schön, dass es so gute Menschen in der Welt gibt und dass man auch in
einem fremden Land Leute kennenlernen kann.“
Dieser Beitrag wurde am 31. Januar 2012 gesendet. Heute konnten Sie seine Wiederholung hören.
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