Stimmen der Roma erklingen in München
Stimmen der Roma erklingen in den kommenden Wochen an mehreren Orten
Münchens. Das Projekt dieses Namens präsentiert ein breites Spektrum aus
dem zeitgenössischen Kunstschaffen der Roma. Mehr dazu erfahren Sie von
der Leiterin des Tschechischen Zentrums in München, Frau Zuzana Jürgens.
Frau Jürgens, in wenigen Wochen startet in München das Projekt
"Stimmen der Roma". Es präsentiert ein breites Spektrum aus dem
zeitgenössischen Kunstschaffen der Roma. Dabei sind auch die Roma aus
Tschechien vertreten, und zwar dank der Vermittlung des Tschechischen
Zentrums München. Was von dem Kunstschaffen der tschechischen Roma bringen
Sie also nach München?
„Die Antwort auf diese Frage, was konkret aus Tschechien in München, im
Rahmen dieses Roma-Projekts präsentiert wird, ist etwas schwierig, weil
wir uns bei den Vorbereitungen immer wieder auf den gesamteuropäischen
Kontext konzentriert haben. Es wurde uns immer wieder klar, dass die
tschechische Roma-Kunst ein Teil einer Bewegung ist, die man in Europa
beobachten kann. Nichtsdestotrotz sind etliche Künstler aus Tschechien mit
dabei. Im Bereich der bildenden Kunst sind es zwei Malerinnen: Tamara
Moyzes, die mediale Kunst macht und auch ein Stipendium für einen
dreimonatigen Aufenthalt in München erhält, und die junge Künstlerin
Laďa Gažiová, die direkt im Tschechischen Zentrum ausstellen wird. Bei
den beiden gilt, dass ihre Kunst sehr gesellschafs- oder politikbezogen
ist, was eigentlich für alle Künstler kennzeichnend ist. Was die Musik
angeht, wird im Tschechischen Zentrum die Gruppe Le Čhavendar aus Rokycany
spielen. Es ist eine junge Roma-Band, die die Sängerin Ida Kelarová vor
einigen Jahren entdeckt und auf die Bühne geführt hatte. Sie vermischt
die traditionelle Roma-Musik mit Aspekten von Hip-Hop, Flamenco und Jazz.
Ich freue mich besonders auf dieses Konzert. Und ganz am Schluss der Reihe
haben wir noch zwei Schriftstellerinnen aus Tschechien eingeladen, Erika
Eliášová und Erika Olahová. Das wäre zur tschechischen Beteiligung am
Projekt.“
Sie haben es bei der Musik erwähnt, dass es sich um eine Mischung von der
Roma-Musik, Hip-Hop, Flamenco und Jazz handelt. Wie ist es bei der
bildenden Kunst und bei der Literatur? Findet die Roma-Thematik in den
Werken eine Widerspiegelung, oder ist es nur so, dass die Autorinnen der
Roma-Herkunft sind?
„Das ist eine Frage, mit der wir immer wieder konfrontiert werden. Was
bedeutet eigentlich diese Bezeichnung Roma-Kunst, Roma-Kultur? Wenn man
sich die Folklore und die Tradition anschaut, ist es relativ klar. Aber
eben bei der gegenwärtigen Kunst wird diese Bezeichnung immer wieder in
Frage gestellt. Weil es eine Kunst ist, die international und europäisch
ist. Die Künstler gehören einfach zu der Kunstszene, egal ob sie Roma
sind oder nicht. Nichtsdestotrotz lassen sich in den Werken der Autoren,
die wir angesprochen haben, Elemente feststellen, die Gemeinsamkeiten
nachweisen. In der bildenden Kunst ist es die Lebenserfahrung, die die Roma
in Europa machen. Sie sind die größte Minderheit Europas, und eigentlich
grenzüberschreitend sind sie in den Ländern, in denen sie leben, mit der
Ausgrenzung und Diskriminierung konfrontiert. Diese Erfahrung spiegelt sich
auch in den Kunstwerken wider. In der Literatur ist es ähnlich. Da ist die
Tatsache wohl das stärkste Element, dass die Roma-Kultur eine starke orale
Tradition hatte. Die Literatur schöpft natürlich aus dieser Oralität, in
der Form am stärksten gerade bei Erika Olahová. Ihre Bücher,
überwiegend Erzählbände, sind immer so aufgebaut, das in jeder
Erzählung eine andere Stimme zu Wort kommt. Man kann sich die Situation
auch so vorstellen, dass die jeweiligen Erzähler am Lagerfeuer sitzen und
sich gegenseitig die Geschichten erzählen.“
Im Rahmen des Projekts wird auch Vorträgen, Gesprächen und Diskussionen
Raum gegeben…
„Wir wollen uns in dem Projekt nicht auf das Politische, auf das
Gesellschaftliche konzentrieren. Uns ging es wirklich um die Kunst, um die
Kultur, weil man beobachten kann, dass sie in der Gegenwart in der
europäischen Kunstszene wirklich sehr stark präsent ist. Auch bei der
Biennale in Venedig 2007 und 2011 du so weiter. Nichtsdestotrotz sind wir
uns dessen bewusst, dass das Thema auch gesellschaftliche und politische
Aspekte hat. Deswegen haben wir auch einige Diskussionen in unserem
Programm, bei denen wir uns eben der zeitgenössischen Kunst, der Beziehung
der Roma zur Mehrheitsgesellschaft widmen. Wir widmen uns einem spezifisch
deutschen Problem, nämlich der Abschiebung der Roma aus dem Kosovo zurück
in den Kosovo, nach vielen Jahren ihres Aufenthaltes in Deutschland. Das
ist in Deutschland ein sehr brisantes und aktuelles Thema. Wir widmen uns
aber auch der europäischen Politik, den Bemühungen innerhalb der EU, die
Bildungssituation der Roma zu verbessern.“
Können Sie zum Schluss noch erwähnen, wann die Veranstaltungsreihe
„Stimmen der Roma“ beginnt und bis wann sie stattfindet?
„Sie beginnt am 19. 4. Vielleicht kann ich dazu sagen, dass wir uns für
den April entschieden haben, weil am 8. 4. der Internationale Tag der Roma
stattfindet. Der 8. April fällt aber direkt in Ostern rein, deswegen
starten wir erst am 19. April im Gasteig. Die Veranstaltungen finden dann
weitere fünf Wochen lang statt, nicht nur im Gasteig, sondern auch an
anderen Orten in München. Die Abschlussveranstaltung ist eine Lesenacht
mit Roma-Schriftstellern aus Tschechien, Ungarn, Deutschland und Serbien am
22. Mai im Gasteig.“
Verlassen wir nun die „Stimmen der Roma“. Wir haben schon bei unserem
letzten Gespräch über einen neuen Vorlesungszyklus gesprochen, der im
Tschechischen Zentrum stattfindet. Die Vorträge gelten dem Zweiten
Weltkrieg, dem Protektorat Böhmen und Mähren. Was gibt es Neues im Rahmen
dieser Reihe?
„Wir werden einen weiteren Vortrag im April veranstalten, am 23. 4.
wieder im Gasteig. Diesmal werden wir uns mit Volker Mohn aus Düsseldorf
dem Thema der Kulturpolitik im Protektorat widmen. Er hat dazu promoviert,
seine Dissertation wird dieses Jahr erscheinen, es ist also eine sehr
frische Arbeit. Es geht ihm um die Zusammenwirkung von tschechischen
Kulturverbänden und Kulturschaffenden und der Verwaltung im Protektorat.
Eben dadurch, dass dieses Thema bisher nicht viel besprochen wurde, freue
ich mich persönlich sehr auf den Vortrag.“
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