„Für Neonazis ist der Boden in Tschechien heiß geworden“
Die rechtsextremistische Szene in Tschechien sei „in Passivität
erstarrt“. Das schreibt der tschechische Geheimdienst BIS in seinem
Quartalsbericht zum Thema Extremismus. Zeigen die Maßnahmen der
tschechischen Regierung im Kampf gegen den Rechtsextremismus Wirkung? Wie
gefährlich sind die Rechtsextremisten hierzulande noch? Darüber hat Radio
Prag mit Miroslav Mareš gesprochen, dem Extremismusexperten von der
Masaryk-Universität in Brno / Brünn.
Herr Mareš, der BIS schreibt in seiner Nachricht, dass die Tätigkeit der
Rechtsextremisten in Tschechien stagniert, dass sie zum Beispiel kaum noch
Konzerte veranstalten. Ist das auch Ihr Eindruck, dass die Szene sozusagen
in der Versenkung verschwindet. Sind die Rechtsextremisten in Tschechien
nicht mehr so gefährlich wie früher?
„Wir beobachten derzeit ein relativ niedriges Niveau der Aktivitäten
der rechtsextremen Szene, das heißt, im Vergleich mit dem letzten oder dem
vorletzten Jahr ist es wirklich niedrig. Andererseits: Diese Szene
existiert, und man kann auch neue gefährliche Tendenzen innerhalb der
Szene sehen. Aber das sind nicht so stark politische Tendenzen wie in den
letzten Jahren oder wie in der letzten Dekade.“
Der BIS schreibt ja auch, dass die Rechtsextremisten sich jetzt mehr auf
das Internet verlagern. Was passiert dort im Internet? Wie nutzen die
Rechtsextremisten dieses Medium?
„Die neuen sozialen Netzwerke sind sehr wichtig für den Extremismus,
zum Beispiel Facebook. Dort gibt es viele rechtsextremistische Seiten und
Diskussionen. Die Rechtsextremisten nutzen das Internet auch für ihre
politische Agitation unter der Bevölkerung. Die Rechtsextremisten
versuchen im Internet neue Mitglieder und Sympathisanten zu gewinnen,
besonders im Bezug auf ihre Anti-Roma-Propaganda, auf diesen
‚Antiziganismus’. Und dieser ‚Antiziganismus’ ist in der
tschechischen Bevölkerung sehr stark.“
Es gibt noch eine weitere Tendenz, die der BIS aufführt, nämlich, dass
viele tschechische Rechtsextremisten ins Ausland fahren, nach Polen oder
nach Ungarn, um dort etwa Konzerte zu besuchen. Ist da ein Erfolg der
Maßnahmen der tschechischen Regierung im Kampf gegen den Extremismus zu
sehen? Es wurde ja unter anderem die rechtsextreme Arbeiterpartei verboten.
Ist der Boden in Tschechien mittlerweile so heiß geworden, dass die
Extremisten auf das Ausland ausweichen?
„Ja, das kann man – im Vergleich zu den 90er Jahren – sagen. Jetzt
ist Tschechien ein Land, in dem der Boden für den internationalen
Extremismus wirklich heiß ist. Und deshalb versuchen die tschechischen
Rechtextremisten in die Staaten zu fahren, wo die militante Demokratie
nicht so stark und so hart wie in Tschechien ist.“
Ist es zu erwarten, dass die Rechtsextremisten in Tschechien auch wieder
ihre Aktivitäten auf der Straße verstärken? Oder müssen wir mit einer
ganz neuen Strategie rechnen?
„Ich denke, die ganze Szene wartet jetzt auf die Ergebnisse der
Prozesse, die derzeit gegen verschiedene Rechtsextremisten wegen
Propaganda- und Gewaltdelikten geführt werden. Die extremistische Szene
befindet sich sozusagen in Wartestellung. Sie wartet auch auf die Erfolge
oder Misserfolge der neuen Regierung im Bezug auf die wirtschaftliche
Krise. Jetzt ist die Szene relativ ruhig, aber die Militanten haben einige
hundert Sympathisanten und Mitglieder. Und diese Neonaziszene wartet jetzt
ab, was die Zukunft bringt.“
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