Amnesty International: weiterhin Diskriminierung von Roma-Kindern in tschechischen Schulen
2007 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Klage von
18 Roma-Kindern bestätigt, dass sie nicht den gleichen Zugang zu Bildung
haben wie Kinder der Mehrheitsgesellschaft. Zwei Jahre später hat Amnesty
International in der Stadt Ostrava / Ostrau überprüft, ob sich die
Situation gebessert hat. Obwohl die tschechische Regierung
Anti-Diskriminierungsmaßnahmen ergriffen hat, habe sich in der Praxis
nichts geändert, heißt es im Bericht von Amnesty International, der am
Mittwoch präsentiert wurde.
„Eine ungelöste Aufgabe: Roma-Kinder haben in der Tschechischen Republik
noch immer nicht die gleichen Bildungschancen“. So lautet der Titel einer
aktuellen Studie von Amnesty international und so lautet zugleich auch der
Befund.
„Wir haben festgestellt, dass in den Sonderschulen – seit einigen
Jahren Praktische Schulen genannt - viele Roma-Kinder sind, bei denen gar
keine leichte geistige Behinderung diagnostiziert wurde. Unter anderem
Psychologen und Beratungsstellen haben ihnen empfohlen, auf diese
Sonderschulen zu gehen, weil dort die Klassen kleiner sind, weil es dort
Sonderpädagogen gibt, die sich intensiver um die Kinder kümmern
können“, sagt Jindra Pařízková, die tschechische Koordinatorin für
Bildung bei Anmesty International.
Aber auch die Roma entscheiden sich oft selbst, ihre Kinder auf
Sonderschulen zu schicken. Da sie zumeist sozial und finanziell schlecht
dastehen, kommt es Ihnen entgegen, dass sie in der Sonderschule nicht für
die Hefte zahlen müssen oder mehr Unterstützung bekommen, wenn
Schulausflüge finanziert werden müssen. Normale Grundschule oder
Sonderschule – beide Möglichkeiten seien für Roma-Kinder jedoch mit
erheblichen Nachteilen verbunden, meint Fotis Fillipou, einer der Autoren
der Studie:
„Die Roma können wählen zwischen den normalen Grundschulen, wo ihre
Kinder oft ausgegrenzt, diskriminiert und wenig gefördert werden. Oder sie
schicken ihr Kind an eine Sonderschule, wo sie sich wohler fühlen, weil
sie unter ihresgleichen sind und mehr Aufmerksamkeit von den Lehrern
erhalten. Dort ist das Bildungsniveau aber geringer.“
Die Zahlen sind auffällig: Aus der tschechischen Mehrheitsgesellschaft
gehen nur zwei Prozent der Kinder auf eine Sonderschule. Bei den
Roma-Kindern sind es fast 30 Prozent. Manche Klassen bestehen sogar zu 80
Prozent aus Roma-Kindern. Die langfristigen Folgen dieser Praxis:
„Diese Kinder haben auch entschieden schlechtere Chancen auf dem
Arbeitsmarkt und im Leben allgemein“, sagt Jindra Pařízková.
Die Hauptforderung von Amnesty International an die Tschechische Regierung
lautet daher: Für das kommende Schuljahr sollen die Sonderschulen keine
Erstklässler annehmen. Diese sollen intensiv an den herkömmlichen
Grundschulen betreut werden. Erst eine komplexe Revision des Schulsystems
könne verhindern, dass so viele Roma-Kinder ohne geistige Behinderung auf
Sonderschulen landen.
Das Bildungsministerium wies am Mittwoch die Kritik zurück. Man habe die
notwendigen legislativen Schritte für eine bessere individuelle und
zielgerichtete Betreuung problematischer und sozial benachteiligter Kinder
eingeleitet; ein nationaler Aktionsplan sei in Arbeit.
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