Tauziehen um kanadische Visumpflicht für Tschechische Staatsbürger
Seit etwa zwei Monaten wird in Tschechien darüber spekuliert, dass Kanada
für tschechische Staatsbürger wieder die Visumpflicht einführen könnte.
Grund: Immer mehr Menschen, vor allem Roma, verlassen das Land in Richtung
Kanada und suchen dort um Asyl an, Kanada möchte die Notbremse ziehen.
Für Tschechien ist das keine verlockende Perspektive, denn die neuen
bürokratischen Hürden würden die Reisefreiheit für Bürgerinnen und
Bürger des Landes de facto einschränken. Nun sieht es jedoch so aus, als
würde eine solche Entscheidung der Behörden in Ottawa doch nicht
unmittelbar bevorstehen. Gerald Schubert hat die aktuelle Entwicklung
verfolgt.
Gerald, was ist denn der Anlass für den neu aufkeimenden Optimismus?
„Dieser Optimismus beruht auf Äußerungen des tschechischen
Außenministers Jan Kohout in einer Fernsehsendung am Sonntag. Kohout hat
dort gesagt, es gebe derzeit keine Indizien dafür, dass Kanada die
Visumpflicht einführen will. Das hieße noch nicht, dass das auch so
bleibe. Aber dass Kanada die Sache nun offenbar noch mal überdenken will,
hält Kohout schon für ein gutes Verhandlungsergebnis. Man sieht also: Im
Hintergrund wurde zwischen Prag und Ottawa intensiv verhandelt, aber
derzeit will sich niemand zu weit aus dem Fenster lehnen. Es bleibt bei
eher vorsichtigen Andeutungen, wenngleich auf einer wichtigen Plattform.
Denn die Fernsehsendung, in der Kohout das gesagt hat, gilt als wichtiger
Seismograph für das, was in Tschechien passiert.“
Was könnte denn aber ausschlaggebend dafür gewesen sein, die Kanadier
vorerst doch noch umzustimmen?
„Einerseits ist in den letzten Wochen die Zahl der tschechischen Roma,
die in Kanada um Asyl ansuchen, zurückgegangen, einige wollen sogar wieder
nach Tschechien zurückkehren. Vor allem aber dürfte auch eine gewisse
Unterstützung durch die Europäische Kommission zur jüngsten Entwicklung
beigetragen haben. Es ist natürlich ein Problem, dass ein Land, also etwa
Kanada, gegen einen einzelnen EU-Mitgliedsaat die Visumpflicht einführen
kann, dass dieser Staat aber nicht alleine mit derselben Maßnahme
antworten kann. Tschechien hätte lediglich von Inhabern von Dienst- und
Diplomatenpässen Visa verlangen können, ansonsten muss die Visumspflicht
eine gemeinsame europäische Entscheidung sein. Wenn aber tatsächlich alle
27 EU-Staaten an einem Strang ziehen, dann ist der Druck, in diesem Fall
auf Kanada, natürlich groß. Offenbar ist es hier gelungen, auf
gesamteuropäischer Ebene Eindruck auf die Kandier zu machen.“
Was sind denn eigentlich die Gründe für den Exodus der Roma und in
welcher Größenordnung läuft der ab?
„Als Grund geben die Roma an, in Tschechien diskriminiert zu werden.
Bestimmt ist in den letzten Monaten der Druck hier gestiegen. Ich erinnere
etwa daran, dass es in der jüngsten Vergangenheit zu Aufmärschen von
Rechtsextremen in vorwiegend von Roma bewohnten Vierteln kam, teilweise
auch zu gewaltsamen Übergriffen gegen Roma. Zur Größenordnung: Im Jahr
2008 und in den ersten vier Monaten des Jahres 2009 haben etwas mehr als
2500 Tschechinnen und Tschechen in Kanada um Asyl angesucht. Erst 334
Anträge sind bearbeitet worden, die meisten davon wurden übrigens
abgelehnt. Umgekehrt muss man aber sagen, dass auch Tschechien ein Asylland
ist. Seit der Wende des Jahres 1990 wurden hierzulande fast 90.000
Asylanträge gestellt.“
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