Roma-Redakteurin des Tschechischen Rundfunks bittet in Kanada um Asyl
Tschechische Roma-Organisationen haben Angehörige ihrer Volksgruppe in den
letzten Monaten mehrfach zur Emigration nach Kanada aufgerufen. Schon über
650 tschechische Roma haben im ersten Quartal dieses Jahres dort einen
Asyl-Antrag gestellt. Das sind mehr als zwei Drittel als im gesamten Jahr
2008. Nun erregt ein prominenter Fall die Aufmerksamkeit der tschechischen
Medien. Zu Beginn der Woche hat Anna Poláková, die leitende Redakteurin
der Roma-Sendungen des Tschechischen Rundfunks, in Kanada um Asyl ersucht -
für sich und sechs weitere Familienmitglieder.
Damit hatten die Vorgesetzten Anna Polákovás nicht gerechnet: Am 2. Juni
erhielten sie eine Email aus Kanada, in der die leitende Redakteurin der
Roma-Sendungen über ihren Schritt informierte. Dabei stellte die
41-Jährige klar:
„Die Entscheidung in Kanada einen Asylantrag zu stellen, hat nichts mit
meiner Arbeit im Tschechischen Rundfunk zu tun, sondern mit den
wiederholten Angriffen auf meine Familie und der Radikalisierung der
tschechischen Gesellschaft.“
Angriffe von Extremisten auf Roma haben sich in Tschechien in den letzten
Monaten gehäuft. Laut Poláková sei ihre Familie schon vor Jahren zur
Zielscheibe geworden. Auf der Straße wurden ihre Tochter und ihr Ehemann
bedroht, und vor kurzem erst ihre Enkelin. Sogar in die eigene Wohnung in
Prag-Libeň seien Angreifer eingedrungen. Und sämtliche Vorfälle seien
bis heute nicht aufgeklärt worden, so Poláková. Vor mehreren Jahren
wurde auch Anna Polákovás Sohn Marek Opfer eines Angriffs von Skinheads:
„Ich hatte eine Verletzung am Kopf, die mit einigen Stichen genäht
wurde, und Prellungen am ganzen Körper. Ich dachte ich würde sterben an
diesem Tag. Das sah wirklich so aus.“
Rechtzeitig eintreffende Polizisten konnten Schlimmeres verhindern. Die
vier Angreifer wurden zu Schadensersatzzahlungen von umgerechnet etwa 4000
Euro verurteilt. Damit begannen weitere Probleme, wie die Nachrichtenchefin
des Tschechischen Rundfunks, Hana Hikelová, erklärt:
„Die Familie wurde ziemlich massiv erpresst, denn die Täter wollten das
Geld zurück haben. Übrigens sind zwei von ihnen dem Gerichtsurteil nicht
nachgekommen und haben bis heute nicht bezahlt. Im Grunde begannen also mit
diesem Angriff die ganzen Schwierigkeiten von Anna Polákovás Familie.“
In einer Pressemitteilung drückte der Tschechische Rundfunk am Mittwoch
die Abscheu gegenüber dem steigenden Extremismus hierzulande aus.
Poláková will man bei juristischen Schritten unterstützen, um die
zahlreichen Angriffe auf ihre Familie aufzuklären. Mit der Redakteurin
selber stehe man derzeit aber nur per Email in Kontakt, sagte
Nachrichtenchefin Hikelová:
„Bis zum 18. Juni hat sie regulären Urlaub. In einer Email hat sie bei
mir unbezahlten Urlaub von einem halben Jahr beantragt, den sie
selbstverständlich bekommt.“
Fotos: Jana Šustová
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