Präsidenten, Ex-Präsidenten und rassistische Wahlspots zur Europawahl
In den Zeitungen dieser Woche haben vor allem Präsidenten viel Platz für
sich beansprucht. Einmal der amtierende Präsident Klaus mit seiner Kritik
an der vorherigen Topolánek-Regierung. Aber auch der frühere Präsident
Havel hat von sich Reden gemacht. Da ging es um Autos und
Konzentrationslager.
Moderator: Die Zeitung „Lidove noviny“ hat am Samstag ein langes
Gespräch mit Präsident Václav Klaus geführt. Da ging es ja auch
sicherlich um den Lissabon-Vertrag, aber nicht nur, Christian Rühmkorf.
CR: Richtig, das, was dann Wellen geschlagen hat, war die Behauptung von
Klaus, keine andere Regierung sei so anfällig für Lobbyisten gewesen, wie
des letzten Premiers Topolánek. Wir müssen vielleicht daran erinnern,
dass die Rivalität zwischen den beiden Bürgerdemokraten Klaus und
Topolánek und der Streit um die Politik der ODS seit bald sieben Jahren
anhält. Topolánek hat Klaus ja beerbt. Zuerst als Parteichef der ODS und
dann auch als Premier, wenn auch nicht in direkter Nachfolge. Und
Topolánek ist jemand, der Klaus weder persönlich noch politisch schmeckt.
Dieser späte Lobbyismus-Vorwurf von Klaus, der ist nicht das eigentlich
Interessante an dem Interview, meint der Politologe und Publizist Bohumil
Doležal ebenfalls in der „Lidové noviny“. Was Lobbyismus betrifft, da
nähmen sich die Topolánek-Regierung und die Klaus-Regierung der 90er
Jahre nicht viel. Wichtig sei die Form, in der sich der Präsident
öffentlich äußere, meint Doležal und schreibt:
„Der Präsident kritisiert mit der Autorität seines Amtes nur eine der
beiden großen Parlamentsparteien. Er stellt dieser Partei sein eigenes,
abweichendes politisches Konzept entgegen und tritt also selber auch wie
eine politische Partei auf. Das sollte doch wohl gegen die Verfassung
verstoßen. Dass es aber nicht gegen die Verfassung verstößt, ist die
Schuld der Verfassungsväter. Sie haben nach der Wende mit heißer Nadel
alles auf einen Václav Havel zugeschnitten. Das musste Klaus damals
geduldig hinnehmen. Jetzt zahlt sich seine Geduld aus. Sein Verhalten ist
nämlich nicht verfassungswidrig, es ist einfach nur nicht korrekt.“
Václav Havel hätte also als Präsident nie so konkret
Parteipolitik gemacht wie Václav Klaus.
CR: Das meint jedenfalls der Kommentator Bohumil Doležal.
Topolánek hat ja zurückgefeuert und Unternehmer genannt, die
sich als Lobbyisten eng um den damaligen Premier Klaus geschart haben.
CR: Ja und genau das Zurückfeuern hält der Kommentator Martin Komárek
in der „Mladá fronta Dnes“ für überflüssig. Er schreibt:
„Dem Präsidenten kann nichts mehr passieren. Er ist für die Politik
nicht verantwortlich, er ist nicht abwählbar und kann nicht strafrechtlich
verfolgt werden. Sein politisches Ziel ist, die EU zu zerstören und wenn
das nicht geht, dann wenigstens die ODS und vor allem Topolánek.“
Wir hatten aber schon angekündigt, dass nicht nur der eine
Präsident in die Schlagzeilen geraten ist.
CR: Genau. Klaus´ Amtsvorgänger Václav Havel hat auch von sich Reden
gemacht. Havel reagierte eigentlich nur auf die Forderung eines Politikers.
Der hatte nämlich gesagt, der Autohersteller Skoda solle mehr Autos
produzieren, damit die Leute Arbeite hätten. Havels Antwort: Das sei
genauso logisch, wie zu sagen: Konzentrationslager muss es geben, damit
Aufseher und Häftlinge Arbeit haben. Havel ging es schlicht darum zu
sagen, dass eine Steigerung der Industrieproduktion nicht zum Selbstzweck
werden sollte.
Aber solche Vergleich mit der Nazi-Zeit sind ja immer heikel.
Darauf haben die Kommentatoren doch sicher reagiert, oder?
CR: Ja, fast alle lehnen den Vergleich ab. Zum Beispiel Tomáš Němeček
hält die Worte Havels für eine schlechte Wahl und schreibt in der
„Hospodářské noviny“:
„Wenn man könnte, hätte man diesen Vergleich wie eine
gesellschaftliche Peinlichkeit überhören müssen. Nur dass Havel eben
kein unbedeutender Rentner ist, sondern Umfragen zufolge der bekannteste
Tscheche und die drittgrößte Persönlichkeit in der tschechischen
Geschichte überhaupt.“ Schreibt Nemecek und fragt: „Wo ist der
Analytiker Havel geblieben, der mit Bedacht die genauesten Formulierungen
findet? Wenn er über Menschenrechte gesprochen hätte, dann hätte er sich
nie im Leben solch ein Geschwätz erlaubt.“
Schuster, bleib bei deinen Leisten. So klingt jedenfalls der
Kommentar von Tomáš Němeček. Havel hat ja bei der Veranstaltung die
Grünen unterstützt und gewarnt, dass es um die politische Landschaft
schlecht stünde, wenn es die Grünen nicht mehr gäbe.
CR: Daran knüpft auch Alexandr Mitrofanov in seinem Kommentar für die
Právo an. Er schreibt ironisch:
„Arbeiter und Ingenieure können ruhig ihren Job verlieren. Wenn aber
die Grünenspitze mit Martin Bursík und Kateřina Jacques ihre Posten
verlören, dann wäre das eine Katastrophe für das Land. Das predigt
Václav Havel.“
Man sieht, auch Ex-Präsidenten sind umstritten, selbst wenn
sie Václav Havel heißen.
CR: Genau. Aber lassen wir mal die Präsidenten und Ex-Präsidenten mal
unter sich und uns noch ein anderes Thema vornehmen. Ein Medienthema erster
Güte, denn es geht um einen TV-Skandal. Und zwar um den Wahlspot der
rechtsradikalen Nationalpartei für die Europawahlen. Darin macht sie Front
gegen die Roma-Minderheit: „Wir wollen keine Parasiten; deine Steuern
sind ihre Zukunft“, heißt es da. Und in diesem Clip bietet die
Nationalpartei wortwörtlich die „Endlösung der Zigeunerfrage als
Anleitung für alle europäischen Staaten an“. Der Wahlspot wurde am
Mittwoch ein Mal im Tschechischen Fernsehen ausgestrahlt. Dann bekam der
Generaldirektor weiche Knie und nahm den Spot aus dem Programm. Obwohl ja
die Öffentlich-rechtlichen verpflichtet sind, die Spots aller Parteien zu
senden. Der Sender hat dann sofort Anzeige gegen die Partei erstattet. Der
Kommentator der „Mladá fronta Dnes“, Jan Jandourek, lässt sich über
den Wahlspot aus und kritisiert aber auch das Tschechische Fernsehen. Er
schreibt:
„Peinlich war auch die Haltung des Tschechische Fernsehens, das den Clip
angeblich senden musste, obwohl der Inhalt ganz eindeutig rassistisch war.
Am Ende hat sich der Sender dann doch noch ermannt und diese
Geschmacklosigkeit gestoppt. Warum sollten auch die Gebührenzahler so
etwas bezahlen?“ fragt Jan Jandourek.
CR: Auch Jiří Franěk von der Zeitung „Právo“ sieht das ähnlich:
„Als unglücklich muss man allein schon die Tatsache bezeichnen, dass
man so einen Dreck überhaupt sendet, auch wenn die Bedingungen für
Wahlkampagnen gelten. Glück sehe ich hingegen darin, dass sich den
insgesamt eine Stunde und 15 Minuten langen Block von politischen Wahlspots
wohl niemand angesehen hat“, schreibt Jiří Franěk und hängt dann noch
lakonisch dran: „Außer uns Kommentatoren, für die so etwas harte Arbeit
ist, die sie lieber hinschmeißen würden.“
Alles in allem viel Aufregung um etwas, was ja eigentlich schon
längst bekannt ist: der Hass der Rechtsradikalen gegenüber den Roma.
CR: Ja und nein. Es ist wahr, der Inhalt ist nichts Neues. Jetzt regt man
sich eher auf, weil es über den öffentlich-rechtlichen Kanal ging und
damit eben Millionen von Zuschauern erreicht werden. Das Wort
„Endlösung“ ist in diesem Zusammenhang wahrlich nicht zum ersten Mal
ins Gespräch gebracht worden.
Christian Rühmkorf war das mit dem Medienspiegel. Vielen Dank!
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