Anschlag auf Roma erschüttert Tschechien – Spekulationen über rassistisches Motiv
Tschechien ist erschüttert. In der Nacht von Samstag auf Sonntag kam es in
Vítkov in Mährisch-Schlesien zu einem Brandanschlag auf ein
Einfamilienhaus. Die Bilanz: drei Schwerverletzte, darunter ein
zweijähriges Mädchen. Die Opfer sind Angehörige der Roma-Minderheit. Die
Behörden halten ein rassistisches Motiv für den verbrecherischen Anschlag
für wahrscheinlich.
Die Brandsätze flogen am Sonntag kurz nach Mitternacht. Wenig später
stand das Einfamilienhaus in Vítkov in Flammen. Ein zweijähriges Mädchen
erlitt an 80 Prozent seines Körpers lebensgefährliche Verbrennungen. In
einem Krankenhaus in Ostrau / Ostrava kämpfen die Ärzte um sein Leben.
Die Eltern des Mädchens wurden ebenfalls schwer verletzt. Ihr Zustand soll
aber stabil sein. Das Politikum: Die Opfer sind Angehörige der
Roma-Minderheit. Das hat Spekulationen über ein rassistisches Motiv des
Anschlags ausgelöst. Der noch amtierende Minister für Minderheiten und
Menschenrechte, Michael Kocáb, im Tschechischen Fernsehen:
„Es wurden vier Brandsätze durch alle vier Fenster des Hauses geworfen
und die Wasserleitung zum Haus wurde wahrscheinlich abgestellt. Die
Großmutter hat versucht das Feuer zu löschen, aber das Wasser ging aus.
Es ist möglich, dass der Anschlag aus anderen Gründen verübt wurde, aber
ich gehe davon aus, dass ein rassistisches Motiv vorliegt.“
Eine Zeugin will kurz vor der Tat den Ausruf „So Zigeuner! Jetzt brennt
ihr!“ gehört haben. Der Anschlag in Vítkov hat - noch bevor die
Hintergründe der Tat klar sind - eine öffentliche Diskussion über die
Rolle des Staates im Kampf gegen rassistische Tendenzen ausgelöst. Kocábs
Ministerium lässt zurzeit Strategien gegen soziale Ausgrenzung erarbeiten.
Im konkreten Fall des Anschlags von Vítkov weist der Minister aber eine
Schuld des Staates zurück.
„Der Anstieg des Extremismus ist alarmierend und es ist notwendig, dass
sich der Staat diesem Thema intensiv widmet. Eine solche einzelne Tat kann
man aber nicht vorhersehen“, sagt Kocáb und forderte auch von der
Gesellschaft ein klares Bekenntnis gegen Rassismus.
Ungeachtet dessen glauben viele Roma in Tschechien offenbar nicht, dass
ihnen der Staat genügend Sicherheit bietet. Von ihrem tschechischen
Dachverband wurden die Roma zu erhöhter Wachsamkeit gegenüber
„terroristischen Anschlägen von Tschechen“ aufgerufen. Die Leute seien
verängstigt und ständig verbalen Angriffen ausgesetzt, warb der
Politikwissenschaftler Zdeněk Zbořil im Fernsehen um Verständnis für
die heftigen Worte.
Weiter angefacht wurde durch den Anschlag in Vítkov die Diskussion um
Asylanträge tschechischer Roma in Kanada. 570 Anträge sollen es allein in
den ersten beiden Monaten des Jahres gewesen sein. Nach dem Brandanschlag
hatte der Roma-Dachverband abermals dazu aufgerufen, nach Kanada zu
emigrieren.
In den Zeitungen sind inzwischen jedoch Berichte erschienen, dass bei den
angeblich professionell organisierten Asylverfahren eine Menge Geld in die
Taschen so genannter Vermittler fließen soll.
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