Suchen
22.3.2023
NACHRICHTEN

GESCHICHTE

TRADITIONEN, KULTUR

RADIO PRAG








Česky English Deutsch Francais
Čunek über Roma: „Lebensart und Gettoisierung verhindern Integration des Einzelnen“
14-01-2008 - Christian Rühmkorf
Jiří Čunek hat sich am vergangenen Freitag erneut zur Roma-Problematik in Tschechien geäußert. Abermals hat Čunek nicht nur Roma, sondern auch Politiker gegen sich aufgebracht und abermals hat er damit Bewegung in die Diskussion gebracht, wie die soziale Situation um die Roma-Minderheit gelöst werden kann.

Jiří Čunek (Foto: ČTK) Die Konferenz der Christdemokraten (KDU-CSL) am vergangenen Freitag trug den Titel „Soziale Gerechtigkeit“. Dass dabei das Thema „Roma-Minderheit“ zur Sprache kommen würde und dass sich dazu Parteichef Jiří Čunek zu Wort melden würde, das war zu erwarten:

„Die traditionelle Roma-Kultur und ihr Wertesystem stehen bei einer Reihe von Beispielen im Widerspruch zu den verbrieften Grundrechten und Grundfreiheiten in diesem Staat.“

So lautet einer der Sätze aus dem Munde von Jiří Čunek, der Politkern, Roma-Aktivisten und Menschenrechtlern sauer aufstieß. Čunek erklärt sich: „Ihre traditionelle Lebensgemeinschaft, ihre Familienbande verhindern eine aktive Einbindung des Einzelnen in die Gesellschaft.“

Čunek rechtfertigt sich: „Dieser Satz resultiert nicht nur aus unseren Erfahrungen, sondern stammt auch von der EU-Kommissarin, die sich um diesen Bereich kümmert.“

Džamila Stehlíková Die Ministerin für Menschenrechte und Minderheiten, Džamila Stehlíková von den Grünen, konterte juristisch:

„Die Roma-Minderheit ist eine der nationalen Minderheiten in Tschechien, die von staatlicher Seite aus geschützt werden. Ihre kulturellen Werte können daher gar nicht im Widerspruch zu den Grundrechten und Grundfreiheiten stehen.“

Soweit die Fakten und die formal-politische Seite dieser erneuten Auseinandersetzung. Vojtěch Lavička, Projekt-Koordinator des Vereins „Romea“ und Kopf der Musikgruppe „Gypsy CZ“ betrachtet die Äußerungen Čuneks als plump und skandalös:

Vojtěch Lavička „Es ist unbegreiflich, dass der Parteichef der Christdemokraten imstande ist so etwas zu sagen. Denn gerade für die Christdemokraten sind die Familienwerte eine der Grundlagen ihrer Politik. Und Familienwerte sind eine Domäne der Roma-Nationalität.“

Heißt Integration Zerschlagung der traditionell festen Großfamilienbande der Roma? Und ist damit das Tor zur Mehrheitsgesellschaft aufgestoßen? Das ist die Kernfrage dieser Auseinandersetzung, die Jiří Čunek eindeutig mit „ja“ beantwortet. Er möchte an die 80.000 Roma in den Ghettos so umsiedeln, dass sie maximal zehn Prozent der Gesamtbevölkerung in einem Wohnviertel ausmachen.

Ministerin Stehlíková dreht – ähnlich wie Roma-Aktivist und –Musiker Lavička – den Spieß um und sagt: Wenn dieser Familienzusammenhalt der Roma auch in der Mehrheitsgesellschaft herrschte, hätten wir weniger Kinder in Kinderheimen und weniger Senioren in Altersheimen, als das der Fall ist. Und dennoch: Jiří Čunek ist einer der wenigen Politiker dieses Landes, die sich diesem Thema widmen und so hält Džamila Stehlíková es für richtig, dass die Diskussion dadurch erneut ins Rollen gekommen ist. Politiker der Sozialdemokraten und der Grünen allerdings werfen Jiří Čunek Populismus vor und wünschen sich, dass der Christdemokratenchef sich zu diesem Thema nicht mehr äußert.



Artikel zum Thema
DatumÜberschriftRubrik
30.05.2017Nicht nur Musik – Festival Khamoro auch mit Literatur und bildender KunstNachrichten
31.05.2016Tanz, Musik und ernste Themen – das Roma-Festival KhamoroNachrichten
03.06.201315 Jahre Khamoro - auf den Spuren einer neuen jungen Roma-EliteNachrichten
29.05.2012Khamoro-Festival: Künstler aus der ganzen Welt präsentieren Kultur der RomaNachrichten
29.03.2012Stimmen der Roma erklingen in MünchenNachrichten
30.03.2008Wellenreiter auf der Woge der "Balkanmusik": Gipsy.czNachrichten
21.01.2008Roma-Minderheit: Čunek fordert Regierungsprogramm und EU-Gelder für seinen PlanNachrichten
14.06.2007Ombudsman Motejl bezeichnet Umsiedlung der Roma aus Vsetin als FehlerNachrichten
24.05.2007Amnesty International: Jahresbericht kritisiert Roma-DiskriminierungNachrichten
Alle Artikel zum Thema
Artikel
Zum Druck formatieren
Als E-mail versenden

Eine Auswahl aus den vorangegangenen Beiträgen der Rubrik "Nachrichten"
02.07.18  Drei tschechische Teams bei Fußballbegegnungsfest in Leipzig
29.05.18  Verdrängt und geleugnet: das Schicksal der Roma
06.04.18  Roma werden bei der Arbeitssuche diskriminiert
07.02.18  Okamura unter Druck wegen Äußerungen zu KZ Lety
17.01.18  Rassenhass – salonfähig seit 1990?
27.11.17  Regierung kauft offiziell Schweinemast in Lety
07.11.17  Uno: Tschechien muss schleichendem Anstieg von Hass begegnen
24.10.17  Bereit zur Übergabe der Geschäfte
01.08.17  Ehemaliges Roma-KZ Lety: Grünes Licht für Aufkauf des Mastbetriebs
17.07.17  Endlich sitzen bleiben: Verfassungsgericht kippt diskriminierende Verordnungen
Archiv

Meistgelesene Artikel
54360   26.02.00 Geschichte und Herkunft der Roma
51276   26.02.00 Die traditionelle Lebensart der Roma
49240   26.02.00 Traditionelle Berufe der Roma
46991   26.02.00 Familie
44584   26.02.00 Jugend
38755   26.02.00 Kindheit
37164   26.02.00 Erwachsenenalter
36835    Geschichte der Roma auf dem Gebiet der Tschechischen Republik
33022   26.02.00 Die Situation der Roma nach 1989
32249   26.02.00 Alter
Copyright © Český rozhlas / Czech Radio, 1997-2023
Vinohradská 12, 120 99 Praha 2, Czech Republic
E-mail: info@romove.cz