Čunek über Roma: „Lebensart und Gettoisierung verhindern Integration des Einzelnen“
Jiří Čunek hat sich am vergangenen Freitag erneut zur Roma-Problematik
in Tschechien geäußert. Abermals hat Čunek nicht nur Roma, sondern auch
Politiker gegen sich aufgebracht und abermals hat er damit Bewegung in die
Diskussion gebracht, wie die soziale Situation um die Roma-Minderheit
gelöst werden kann.
Die Konferenz der Christdemokraten (KDU-CSL) am vergangenen Freitag trug
den Titel „Soziale Gerechtigkeit“. Dass dabei das Thema
„Roma-Minderheit“ zur Sprache kommen würde und dass sich dazu
Parteichef Jiří Čunek zu Wort melden würde, das war zu erwarten:
„Die traditionelle Roma-Kultur und ihr Wertesystem stehen bei einer
Reihe von Beispielen im Widerspruch zu den verbrieften Grundrechten und
Grundfreiheiten in diesem Staat.“
So lautet einer der Sätze aus dem Munde von Jiří Čunek, der Politkern,
Roma-Aktivisten und Menschenrechtlern sauer aufstieß. Čunek erklärt
sich: „Ihre traditionelle Lebensgemeinschaft, ihre Familienbande
verhindern eine aktive Einbindung des Einzelnen in die Gesellschaft.“
Čunek rechtfertigt sich: „Dieser Satz resultiert nicht nur aus unseren
Erfahrungen, sondern stammt auch von der EU-Kommissarin, die sich um diesen
Bereich kümmert.“
Die Ministerin für Menschenrechte und Minderheiten, Džamila Stehlíková
von den Grünen, konterte juristisch:
„Die Roma-Minderheit ist eine der nationalen Minderheiten in Tschechien,
die von staatlicher Seite aus geschützt werden. Ihre kulturellen Werte
können daher gar nicht im Widerspruch zu den Grundrechten und
Grundfreiheiten stehen.“
Soweit die Fakten und die formal-politische Seite dieser erneuten
Auseinandersetzung. Vojtěch Lavička, Projekt-Koordinator des Vereins
„Romea“ und Kopf der Musikgruppe „Gypsy CZ“ betrachtet die
Äußerungen Čuneks als plump und skandalös:
„Es ist unbegreiflich, dass der Parteichef der Christdemokraten imstande
ist so etwas zu sagen. Denn gerade für die Christdemokraten sind die
Familienwerte eine der Grundlagen ihrer Politik. Und Familienwerte sind
eine Domäne der Roma-Nationalität.“
Heißt Integration Zerschlagung der traditionell festen Großfamilienbande
der Roma? Und ist damit das Tor zur Mehrheitsgesellschaft aufgestoßen? Das
ist die Kernfrage dieser Auseinandersetzung, die Jiří Čunek eindeutig
mit „ja“ beantwortet. Er möchte an die 80.000 Roma in den Ghettos so
umsiedeln, dass sie maximal zehn Prozent der Gesamtbevölkerung in einem
Wohnviertel ausmachen.
Ministerin Stehlíková dreht – ähnlich wie Roma-Aktivist und
–Musiker Lavička – den Spieß um und sagt: Wenn dieser
Familienzusammenhalt der Roma auch in der Mehrheitsgesellschaft herrschte,
hätten wir weniger Kinder in Kinderheimen und weniger Senioren in
Altersheimen, als das der Fall ist. Und dennoch: Jiří Čunek ist einer
der wenigen Politiker dieses Landes, die sich diesem Thema widmen und so
hält Džamila Stehlíková es für richtig, dass die Diskussion dadurch
erneut ins Rollen gekommen ist. Politiker der Sozialdemokraten und der
Grünen allerdings werfen Jiří Čunek Populismus vor und wünschen sich,
dass der Christdemokratenchef sich zu diesem Thema nicht mehr äußert.
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