Regierung plant Agentur für Roma-Fragen - Kritiker halten sie für überflüssig
Auf die Agentur für Roma-Fragen haben sich die Regierungsparteien bereits
in ihrem gemeinsamen Koalitionsprogramm geeinigt. Die Agentur soll zu
Beginn des kommenden Jahres entstehen, wie die Ministerin ohne
Portefeuille Dzamila Stehlikova, in deren Kompetenz auch die Minderheiten
in Tschechien fallen, nun angekündigt hat. Kritiker befürchten allerdings,
dass die Agentur genauso machtlos wie andere Institutionen werden wird, die
sozialen Probleme der Roma-Minderheit in Griff zu bekommen.
"Ihr Sinn ist, nicht nur die Tätigkeit der einzelnen Ministerien zu
koordinieren, sondern den Effekt auch auf die lokale Ebene zu übertragen.
Die Tätigkeit der Selbstverwaltungseinheiten soll ebenso koordiniert
werden, und das in den Bereichen Bildung, Arbeit, Wohnen, Prävention von
Kriminalität und Drogenprävention."
Das sagte Dzamila Stehlikova am Sonntag in einer Talkrunde des
Tschechischen Fernsehens. Insgesamt leben in Tschechien laut einer
Erhebung rund 80.000 Roma an Orten, die Ghettos ähneln. Viele dieser Roma
sind auf Sozialhilfe angewiesen, die meisten Erwachsenen unter ihnen sind
arbeitslos. Der Regierungsvorschlag sieht vor, dass die geplante Agentur
vor Ort beratend tätig wird. Und zwar durch ein Netz von regionalen
Ablegern der Agentur, bei denen 60 der insgesamt 70 Beschäftigten arbeiten
werden. Dzamila Stehlikova:
"Zum einen installieren sie Partnerschaften zwischen den Schulen, der
Selbstverwaltung, Nichtregierungsorganisationen und weiteren Institutionen.
Und sie stärken ihre Selbstständigkeit in der Weise, dass sie nach einer
gewissen Zeit Projekte selbst vorbereiten und sich um die Gelder aus den
Ministerien selbst kümmern können."
Hilfe zur Selbsthilfe also. Vertreter von Gemeinden oder Stadtteilen
halten dies aber für überflüssig. Konzepte gäbe es schon längst, nur
bekäme er immer wieder zu hören, dass kein Geld für diese da sei - dies
sagt zum Beispiel der Bürgermeister von Brno-sever / Brünn-Nord, Leo
Venclik (ODS). Im Norden Brünns sind mehr als ein Zehntel der Bewohner
Roma. Ähnlich wie Venclik sieht dies auch die Bürgermeisterin von Vsetin,
Kvetoslava Othova (KDU-CSL). Ihrer Meinung würde viel eher eine Änderung
der Sozialgesetzgebung helfen. Diese solle endlich die Menschen
motivieren, sich aus- oder weiterzubilden und Arbeiten zu gehen. Zu den
Kritikern des Projekts gehört aber auch der Soziologe Ivan Gabal, der sich
mit der Stellung von Roma in Tschechien beschäftigt.
"Ich glaube, das Konzept ist nicht deutlich, nicht verständlich und
nicht ausgearbeitet", so Gabal
Seiner Meinung nach solle die Agentur ausschließlich mit Gemeinde- sowie
Kreisvertretungen zusammenarbeiten. Zudem solle die Agentur eine
eigenständige Institution mit direkter Verantwortung für ihre Tätigkeit
sein und nicht Teil des bereits bestehenden "Rates für die
Angelegenheit der Roma". Aber selbst dann besteht laut Ivan Gabal
noch Gefahr:
"Es kommt ein neuer Premier, eine neue Regierung, sie streicht alles,
und aus ist es damit."
Denn dies sei bisher das Schicksal aller solcher Institutionen gewesen und
habe zur brisanten Lage von heute geführt.
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