Roma-Festival Khamoro - multikulturelles Samenkorn im Prager Boden
Zum bereits neunten Mal hat in der vergangenen Woche in Prag das
internationale Roma-Festival Khamoro stattgefunden - nach Angaben der
Veranstalter das inzwischen größte Festival seiner Art weltweit. Die Sonne
- Khamoro - hat dem Festival ihren Namen gegeben, und im Zeichen des
Sonnen- oder Wagenrades, des traditionellen Symbols des fahrenden Volkes,
hat sich in der tschechischen Hauptstadt sechs Tage lang Roma-Kultur aus
ganz Europa ein Stelldichein gegeben.
Roma-Kultur, das ist vor allem anderen die Musik, und Musik stand auch beim
neunten Jahrgang von Khamoro im Mittelpunkt. In sechs Tagen traten Bands
aus zehn europäischen Ländern und eine Formationen aus dem Roma-Mutterland
Indien in Prag auf - die Spanne reichte von Gypsy Jazz bis hin zu
traditioneller Folklore. Khamoro will sich aber keineswegs auf die Musik
beschränken, so Co-Organisatorin Martina Horvathova:
"Der Grundgedanke von Khamoro ist, einen Raum zu bieten für die
Präsentation von Höhepunkten der Roma-Kultur überhaupt. Damit wollen wir
dazu beitragen, einen Dialog zwischen der Roma-Minderheit und der
Mehrheitsgesellschaft anzuknüpfen - das Festival soll ein Samenkorn sein
für die Entwicklung einer funktionierenden multikulturellen
Gesellschaft."
Bis dahin ist es in Tschechien noch ein gutes Stück Arbeit. Die geschätzt
250 - 300.000 tschechischen Roma leben meist am Rand der Gesellschaft,
sind häufig arbeitslos, sozial schwach und schlecht gebildet. Dass es aus
diesem Milieu kaum ein Entkommen gibt, dafür sorgen nicht zuletzt
Vorurteile und Abgrenzungen auf beiden Seiten. Kultur könnte da ein Mittel
sein, die Menschen zusammenzuführen, die starren Fronten aufzuweichen.
Grenzen überschreiten, das gehört überhaupt seit jeher zu der Idee des
internationalen Festivals, so Martina Horvathova:
"In diesem Jahr haben wir zwei Tage des Festivals den Sinti und Roma
gewidmet, die in Deutschland leben. Jedes Jahr richten wir den Fokus auf
ein bestimmtes Land - diesmal ist Deutschland an der Reihe."
Den Auftakt machte deshalb diesmal das Titi-Winterstein-Ensemble aus
Deutschland, gefolgt von einem Vortrag über Geschichte und Gegenwart der
deutschen Sinti und Roma.
"Daneben gibt es noch eine Ausstellung mit Werken der Künstlerin
Katarzyna Pollok, die derzeit in Deutschland lebt. Sie macht sehr
interessante Bilder und Statuen, in denen sich die indischen Wurzeln der
Roma wieder finden, und zugleich auch Elemente aus den Kulturen, denen die
Roma auf ihrem Weg um die Welt begegnet sind."
Wie überbunte orientalische Seidentücher wirken die Gemälde der in der
Ukraine geborenen Katarzyna Pollok - fein getupfte unentwirrbare
Ornamente, in denen sich Jüdisches und Christliches, Popkultur und
fernöstliche Weisheit umschlingen:
"Heute gibt es viel Konflikte, und die haben mit verschiedenen
Kulturen und verschiedenen Religionen zu tun. Meine Konzeption war,
gezielt Symbole aus verschiedenen Kulturen und Religionen zu nehmen und
die miteinander zu kombinieren. Dann entsteht so etwas wie Patchwork-Kunst
- Romani Art nenne ich das."
Eine ganz andere Ausstellung widmet sich im Ethnographischen Museum im
Prager Kinsky-Garten den vergessenen und verschollenen Handwerken, die die
Roma in Tschechien und der Slowakei traditionell ausgeübt haben. Direktorin
Jirina Langhammerova konnte dabei auf Stücke zurückgreifen, die der
slowakische Sammler Jan Rac in langen Jahren zusammengetragen hat:
"Mit feinem Gespür hat er - vielleicht im letztmöglichen Augenblick -
in den traditionellen Roma-Familien wunderbare Gegenstände gesammelt, die
auch mit Blick auf die Gestaltung von großer Kultur zeugen. Da sind zum
Beispiel große hölzerne Teigtröge oder riesige geschmiedete Kessel -
Dinge, die nicht nur für sich genommen schön sind, sondern zugleich auch
für einzigartige handwerkliche Traditionen stehen, die schon längst
verschwunden oder nur noch ganz selten zu finden sind."
Neben historischen Flechtarbeiten, Schnitz- und Schmiedewaren darf ein
klassisches Roma-Handwerk natürlich nicht fehlen: Bei der
Ausstellungseröffnung konnten sich die Besucher von drei Wahrsagerinnen
die Zukunft vorhersagen lassen. Abseits davon liegt die Exotik bei der
Ausstellung aber eher in besonderen Details - aber gerade das ist für
Jirina Langhammerova das Zentrale - der Beleg nämlich, dass die Roma in
Tschechien zu Hause sind:
"Wir freuen uns, dass wir mit dieser Ausstellung daran erinnern
können, dass die Roma auch hier leben, dass die Erzeugnisse im Grunde die
gleichen sind, so wie die Menschen im Grunde die gleichen sind - nur dass
die unterschiedlichen Ethnien den Dingen ihre eigene Form, ihren eigenen
Duft geben, und das ist daran so schön."
Dieser eigene Duft, die Besonderheit des Roma-Handwerks, erklärt Jirina
Langhammerova, liegt zum Beispiel in den Ornamenten oder auch ganz
schlicht in der Größe der Gegenstände:
"Weil die Roma in größeren Gemeinschaften gelebt haben, brauchten sie
auch größeres Kochgeschirr - bei den Tschechen ist das etwas kleiner. In
solchen Details liegen die Unterschiede, und vielleicht auch bei den
Verzierungen, wo sich eine gewisse Exaltiertheit finden lässt."
Auf eine neunjährige Tradition blickt das Roma-Festival Khamoro inzwischen
zurück - aus kleinen Anfängen ist eine Großveranstaltung geworden, die
immer mehr Zuschauer und auch Mitstreiter anzieht. Geblieben ist in jedem
Jahr jedoch ein doppeltes Ringen - das Ringen um Geld, um das Festival zu
finanzieren, und das Ringen um mehr Achtung gegenüber Roma und ihrer
Kultur. Das hat bereits im Jahr 1999 am Anfang des Festivals gestanden,
erinnert Co-Organisatorin Martina Horvathova:
"Die heutigen Veranstalter hatten damals ein Konzert zur
Unterstützung für Sarajevo organisiert, das damals nach dem
Jugoslawienkrieg in Trümmern lag. Unter anderem hatten sie auch eine
bekannte Roma-Band eingeladen, und da ist es dazu gekommen, dass der
Tontechniker ihren Auftritt absichtlich sabotiert hat. Das war der Impuls
für dieses Festival, das nur Roma gewidmet ist und wo solche Dinge
ausgeschlossen sind."
Das positive Miteinander von Minderheit und Mehrheit - was im
tschechischen Alltag nur selten gut geht, scheint auf dem Festival Khamoro
zu funktionieren. Martina Horvathova:
"Das Publikum wird immer größer - sowohl die Roma, als auch die
Nicht-Roma nehmen zu. Die Konzerte sind eine gute Gelegenheit, ein
wirklich gemischtes Publikum zu sehen, wo Roma und Nicht-Roma miteinander
tanzen - Leute, die sich gar nicht kennen, und was sie verbindet, das ist
gerade die Kraft der Musik und der Emotionen, die die Musik
hervorruft."
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