EU-Antidiskriminierungsrichtlinie: Umsetzung auch in Tschechien noch mangelhaft
Mobilität könnte das Motto der heutigen Berufseinsteiger lauten. Ihre
Lebensläufe strotzen nur so vor Auslandsaufenthalten, bei denen sie neben
dem Erwerb von fachlichen Qualifikationen auch einen ganz
selbstverständlichen Umgang mit anderen Kulturen kennen gelernt haben.
Dass jedoch multikulturelle Gesellschaften alles andere als eine
Selbstverständlichkeit sind, wird uns nicht zuletzt durch die Zunahme
rassistisch motivierter Diskriminierung tagtäglich vor Augen geführt. Dies
gilt auch dann, wenn eine Volksgruppe schon Jahrhunderte in einem Land lebt
und trotzdem immer noch fremd ist. Sandra Dudek hat nachgefragt, wie in
einem "bewegten" Europa mit der Problematik der
Fremdenfeindlichkeit umgegangen wird:
"Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann?" - Wer in den 70er Jahren
Kind war, kennt diesen Satz und hat ihn vermutlich selbst unzählige Male
als Auftakt eines beliebten Kinderspiels ausgerufen. Der "schwarze
Mann" war "der Fremde", vor dem man sich fürchtete, obwohl
man es nicht zugab, aber wenn er kam, dann lief man doch davon.
Gesellschaftlich geduldet und auch von den Eltern häufig nicht hinterfragt
wurde damit sozusagen spielerisch und von Kindesbeinen an die Angst vor dem
geschürt, was anders und damit fremd ist. Das ist nicht neu, Beispiele
dieser Art gibt es viele und zwar weltweit, denn die Angst vor dem Fremden
ist ein uraltes menschliches Phänomen. Die Frage ist nur, wie man damit
umgehe, meint Beate Winkler, Direktorin der Europäischen Stelle zur
Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit:
"Man muss aber sehr genau unterscheiden zwischen Fremdenangst und
Fremdenfeindlichkeit. Fremdenangst hat jeder Mensch, das gehört zu unserem
Leben, also die Angst vor dem Fremden. Es ist dann eine Frage der
persönlichen Kompetenz, ob das Fremde als das Faszinierende, als das
Bereichernde gesehen wird oder ob es so viel Angst macht, dass man nur
noch abwehrt."
Spezielle Kompetenzen können beispielsweise durch Sozialisation und
Bildung erworben werden. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Fremdsein
schon in der Grundschule und die Überarbeitung der Lehrbücher zeigen, dass
hier in den letzten Jahrzehnten ein großer Bewusstseinswandel eingesetzt
hat. Aber auch die Politik spielt eine nicht unbedeutende Rolle. Es sei
nämlich erwiesen, so Beate Winkler, dass Fremdenfeindlichkeit bzw.
Rassismus dann zurückgingen, wenn politisch deutlich gemacht werde, dass
das nicht akzeptiert werde.
Ein deutliches politisches Zeichen hat die Europäische Union 2004 gesetzt:
Da nämlich ist die "Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied
der Rasse" in Kraft getreten, die, wie Beate Winkler von der
Europäischen Rassismus-Beobachtungsstelle erläutert, unter anderem
folgende Punkte umfasst:
"Dass alle Gesetze überprüft werden müssen, dass eine
Chancengleichheit am Arbeitsmarkt gewährleistet ist, also dass Menschen
die gleichen Einstellungschancen haben, dass die gleichen
Bildungsmöglichkeiten gegeben sind und dass zum Beispiel auch im Wohnen
eine Gleichheit besteht und das bedeutet eben auch Zugang zu
Sozialwohnungen, der Minderheiten oft verschlossen ist. Weiters bedeutet
das ein gleiches Einstellungsverfahren, denn Minderheiten werden häufig
zurückgewiesen, wenn sie sich bewerben, weil sie einen "schwierigen,
fremdländischen" Namen haben."
Die meisten EU-Staaten haben diese Antidiskriminierungsrichtlinien in
nationales Recht umgesetzt und somit den Grundstein für eine verstärkte
Sensibilisierung und praktische Maßnahmen in diesem Bereich gelegt. Vier
Mitgliedstaaten - Deutschland, Luxemburg, Österreich und Finnland - haben
die Vorschriften bisher nicht erfüllt. Gegen sie wurde im Juli 2004 Klage
vor dem Europäischen Gerichtshof erhoben. Gerade bei Deutschland, einem
sozusagen "klassischen" Einwanderungsland, auf das auch 30
Prozent aller Einbürgerungen in der Europäischen Union entfallen, und das
sich seit Jahren bewusst mit der Integration von Ausländern
auseinandersetzt, mag dies verwundern. Die Gründe, warum Deutschland noch
nicht unterschrieben habe, erklärt Beate Winkler, seien aber in dem
föderativen System, der damit verbundenen komplizierten Gesetzeslage und
nicht zuletzt dem Regierungswechsel zu suchen. Auch andere Länder hinken
in der Implementierung der Antidiskriminierungsrichtlinie noch ein
bisschen hinterher, wenn auch, wie zum Beispiel die Tschechische Republik,
aus anderen Gründen. Dazu meint der Rechtsanwalt David Strupek:
"Letzten Endes ist die ganze Rechtsordnung nach dem Umbruch im Jahr
1989 durch die schrittweise Einführung der einzelnen Normen ziemlich
ausgemustert worden. So ist auch die Diskriminierung nach und nach
aufgenommen worden, zuerst zum Beispiel ins Arbeitsrecht, dann in andere
Rechtsbereiche. In manchen Bereichen fehlt sie immer noch. Und über ein
Jahr sind wir schon, was das Gesetz, das der EU-Richtlinie entsprechen
soll, im Rückstand. In dem Gesetz sollten auch weitere Punkte verankert
werden und die Tschechische Republik setzt sich zur Zeit der Gefahr aus,
von der EU sanktioniert zu werden, weil das Gesetz vom Senat mit der
Begründung abgelehnt worden ist, dass er den positiven Maßnahmen nicht
zustimmt."
Im europäischen Vergleich gehört die Tschechische Republik zu jenen
Ländern, in denen das Problem mit der Fremdenfeindlichkeit nicht so groß
sei, meint Beate Winkler von der EU-Beobachtungsstelle. Hierzulande gebe
es nicht so viel direkte rassistische Gewalt, aber die Diskriminierung sei
sehr wohl in vielen Bereichen vorhanden. Insbesondere Angehörige der
Roma-Minderheit würden im Schul- und Wohnbereich sowie auf dem
Arbeitsmarkt diskriminiert werden - eine Tatsache übrigens, die in allen
EU-Ländern Gültigkeit hat. Hier wird dann auch der Unterschied zwischen
Fremden- und Ausländerfeindlichkeit deutlich, denn in den meisten Ländern
sind die Roma eine anerkannte nationale Minderheit und haben zum
überwiegenden Teil auch die Staatsbürgerschaft des jeweiligen Landes. So
auch in der Tschechischen Republik, wo es außer den Roma noch elf weitere
anerkannte Minderheiten gibt. Dazu Jaroslav Balvin von der Abteilung
ethnischer Minderheiten des Prager Magistrats:
"Wir kennen folgende Minderheiten an: die Bulgaren, Ungarn, Deutsche,
Polen, Roma, Russen, Russinen, Griechen, Slowenen, Ukrainer, Serben.
Dadurch, dass sie sich als nationale Minderheit deklarieren, haben sie das
durch das Gesetz über nationale Minderheiten geregelte Recht auf die Pflege
ihrer Bräuche, die Aufrechterhaltung ihrer Identität usw."
Die Diskriminierung der Roma, weiß der Rechtsanwalt David Strupek aus
seiner täglichen Arbeit zu berichten, sei weniger eine offensive als eine
unterschwellige, die sehr schwer einzuklagen sei. So nennt er
beispielsweise die Weigerung der tschechischen Gerichte, sich mit einer
Beschwerde zu beschäftigen, die auf rein statistischen Zahlen beruhte:
"Wie viele Roma-Kinder und wie viele Kinder der Mehrheitsbevölkerung
landen in Schulen, die speziell für geistig behinderte Kinder eingerichtet
worden sind und wie sieht es in den gewöhnlichen Grundschulen aus? Die
grundlegende Prämisse dieser Beschwerde war, dass in der Schule für
geistig behinderte Kinder 27mal mehr Roma-Kinder als weiße Kinder waren,
heißt das also, dass Roma-Kinder 27mal häufiger geistig behindert sind
oder nicht? Falls das nicht der Fall ist, dann funktioniert das System
nicht, dann ist es diskriminierend."
Seit dem Jahr 2004 widmet die Europäische Union ihre Aufmerksamkeit
verstärkt der Antidiskriminierung und Integration - zwei wichtigen
Problembereichen, die miteinander in Zusammenhang stehen. Der Schwerpunkt
der EU-Integrationspolitik liegt dabei auf den Migranten und Flüchtlingen,
die erst vor kurzem ins Land gekommen sind. Europa ist in Bewegung und
während viele junge Menschen Freude an der Mobilität haben, bedeutet sie
für Menschen aus armen oder krisengeschüttelten Ländern die einzige Chance
zu überleben. Im Jahr 2004 lag in den so genannten alten EU-Ländern der
Ausländeranteil bei rund 5 Prozent, in den zehn neuen Ländern bei knapp 3
Prozent. Durch die Wanderungsströme ist die EU-Bevölkerung seit 1999
jährlich um rund eine Million Menschen oder mehr gewachsen, wie das
europäische Statistikamt bekannt gab. Jedes EU-Land ist also mehr oder
weniger mit der Problematik der Zuwanderung und Fremdenfeindlichkeit
konfrontiert. Interessant sei dabei, dass das Nahbild viel positiver
ausfalle als das Fernbild, also das, was Menschen über andere denken, so
Beate Winkler, Direktorin der Europäischen Stelle zur Beobachtung von
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit:
"Die Wahrnehmung, die die Menschen von Tatsachen haben, sind viel
einflussreicher als die Tatsachen selbst. Beispielsweise sagen 80 Prozent,
dass sie kein Problem im Zusammenleben mit Menschen anderer Hautfarbe,
anderer Religion haben, aber 60 Prozent sind gegen eine multikulturelle
Gesellschaft."
Genau an diesem Phänomen setzt das Maßnahmenpaket der Europäischen Union
an, wie Beate Winkler weiter ausführt:
"Es gibt eine Antidiskriminierungsrichtlinie der Europäischen Union,
die die Mitgliedsländer unterstützen und umsetzten müssen und das haben
bis jetzt fast alle Länder der EU gemacht. Es gibt Projekte, wie das
Projekt Xenos oder Equal, die den Mitgliedsstaaten ermöglichen, große
Initiativen zu unterstützen, es gibt Kampagnen für Equality und Diversity,
es gibt das europäische Jahr für Chancengleichheit in 2007, das Jahr 2008
wird dem kulturellen Dialog gewidmet, es gibt also ein ganzes
Bündel."
Ein ganzes Bündel an Maßnahmen, das dazu dient, allen Menschen das gleiche
Recht einzuräumen und das Fremde nicht als etwas Bedrohliches zu
betrachten, sondern als Bereicherung in einem "bewegten" Europa.
Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den
Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:
www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische
Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union
www.euroskop.cz
www.evropska-unie.cz/eng/
www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors
online
www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt
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