Gypsy MaMa – Mit bunter Mode gegen Vorurteile
Arbeitsscheu und Sozialschmarotzer – so lauten die Vorurteile vieler
Tschechen gegenüber Roma. Tatsächlich leben die 250.000 bis 300.000
tschechischen Roma oft in prekären Verhältnissen. Ein innovatives
Sozialprojekt will dazu beitragen, das zu ändern. Mit bunter Mode sollen
Vorurteile in der Gesellschaft abgebaut und jungen Roma eine Zukunft
gegeben werden.
Gypsy MaMa – das ist ein frisches Modelabel aus Brno / Brünn, mit bunten
Schals, verspielten Fliegen und farbenfrohen T-Shirts in der Kollektion.
Aber Gypsy MaMa ist noch wesentlich mehr. Es ist ein Sozialprojekt, das
jungen Roma den Einstieg ins Berufsleben ermöglichen soll. Dazu Zdeněk
Raiser, Mitbegründer von Gypsy MaMa:
„Die Lage von Roma hat sich in den letzten Jahren nicht verbessert. Es
fehlt auch an Bildung. In Brünn bestehen Probleme mit Drogen,
Kinderprostitution und vor allem mit Langzeitarbeitslosigkeit. Dazu kommen
ein angelerntes Ohnmachtsgefühl, das Roma von ihren Familien und von der
Gesellschaft mitbekommen, und wenig Perspektiven. Sie haben meist eine
schlechte Ausbildung: nur einen Pflichtschulabschluss. In den Familien wird
häufig kein Wert auf Bildung gelegt. An erster Stelle steht noch immer die
Familie. Junge Mädchen heiraten gleich und haben Kinder. Junge Männer
machen irgendwelche Jobs, um ein bisschen was zu verdienen. Sie haben keine
Ausbildung und keine Berufserfahrung, somit ist es schwierig einen Job zu
finden. Da kommt viel zusammen.“
Um jungen Roma eine neue Perspektive zu geben, ermöglicht Gypsy MaMa
einen Einstieg ins Berufsleben trotz mangelnder Qualifikationen. Jeweils
für ein halbes Jahr werden zwei bis drei junge Roma bei Gypsy MaMa
angestellt. Die jungen Frauen und Männer verkaufen die Mode im Brünner
Geschäft, helfen bei Organisatorischem, fungieren als Fotomodelle und
arbeiten bei der Herstellung der Kleidung mit. Dabei lernen sie, was es
bedeutet, einen geregelten Arbeitsalltag zu haben.
„Sie lernen bei uns Arbeitsgewohnheiten. Das ist alles nicht
selbstverständlich. Zum Beispiel, dass man sich auf sie verlassen kann.
Sie lernen, dass sie immer kommen müssen, dass es hier nicht so ist wie in
der Schule, wo man auch mal schwänzen kann. Sie lernen auch, dass sie
wirklich pünktlich kommen müssen. Solch grundlegende Dinge. Es ist ihre
erste Arbeit. Wir sind also geduldig mit ihnen. Aber wir haben auch klare
Regeln“, so Zdeněk Raiser.
Dabei werden die Roma auch von SozialarbeiterInnen begleitet. Gegen Ende
des halben Jahres besprechen sie gemeinsam, was die jungen Leute gerne
weiter beruflich machen wollen. Die SozialarbeiterInnen unterstützen sie
dabei, eine weiterführende Arbeit zu finden. Nach einem halben Jahr sind
so die Arbeitsplätze bei Gypsy MaMa wieder frei, um weiteren Roma den
Einstieg ins Berufsleben zu ermöglichen. Der erste Durchgang wurde bereits
abgeschlossen und die ersten beiden Roma nach ihrem halben Jahr bei Gypsy
MaMa erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert.
„Bis jetzt war das sehr erfolgreich. Wir haben eine Absolventin und
einen Absolventen, und beide haben anschließend Arbeit gefunden. Die junge
Frau putzt. Das hört sich jetzt vielleicht nicht so toll an, aber für sie
ist es sehr gut: Es entspricht ihren Möglichkeiten, sie hat ein stabiles
Einkommen und es schaut so aus, dass sie da auch weiterhin wird arbeiten
können. Der junge Mann hat gesagt, er möchte gerne Schauspieler werden.
Wir haben das alle mit viel Skepsis beäugt, aber wir haben es geschafft,
ihm eine Stelle in einem Theater zu verschaffen. Dort arbeitet er als
Platzanweiser und schnuppert so erstmals Theaterluft.“
Momentan arbeiten die jungen Roma bei Gypsy MaMa als einfache Angestellte,
alle leitenden Positionen sind anderweitig besetzt. Das ist schade, findet
auch Zdeněk Raiser. Es sei aber, wie es sei, sagt er achselzuckend:
„Sie verrichten zunächst nur einfache Tätigkeiten, sie schneiden zum
Beispiel die Stoffe zu. Aber mit der Zeit lernen sie mehr und können dann
auch entsprechend mehr machen. Also sie arbeiten als Angestellte bei uns.
Mit der Zeit möchten wir, dass sich das ändert und dass sie auch an der
Organisation und Leitung des Projekts beteiligt sind. Im Augenblick ist es
dafür allerdings noch zu früh. Aber wir werden diese Art von Initiativen
auf jeden Fall unterstützen.“
Designt wird die Mode von professionellen Modeschöpfern, sie soll ja
schließlich auch wirken. Bereits zwei Kollektionen wurden von den
Modeschöpferinnen Vendula Cetlová und Jitka Prokopová entworfen. Die
dritte Kollektion, die derzeit in Arbeit ist, soll endlich von einem
Designer entworfen werden, der selbst Roma ist: von Pavel Velký. Laut
Zdeněk Raiser ist er der einzige professionelle Modedesigner mit diesem
ethnischen Hintergrund, den die Mitarbeiter von Gypsy MaMa bisher ausfindig
machen konnten. Vendula Cetlová und Jitka Prokopová mussten sich erst mit
der Roma-Kultur auseinandersetzen, bevor sie ihre Kollektion entwerfen
konnten. Zdeněk Raiser:
„Die Modedesigner gehen zunächst ins Museum für die Kultur der Roma in
Brünn. Dort gibt es eine große Sammlung von Kleidung und Schmuck aus der
Vergangenheit bis in die Gegenwart. Damit setzen sie sich auseinander,
bekommen einen Katalog, fotografieren... Und dann beginnen sie zu
entwerfen. Unsere Mode soll sowohl die traditionelle Kleidung der Roma
reflektieren, als auch moderne Kleidung, wie sie die die jungen Menschen
heute tragen.“
Auch die jungen Roma aus der Region werden in den Designprozess
einbezogen:
„Es gibt dann immer Workshops, die die Designer gemeinsam mit Roma
abhalten. Die Teilnehmenden entwerfen dort etwas, werden dabei von der
Modeschöpferin geführt und angeleitet, und sie nimmt, was dabei entsteht,
dann in ihre Entwürfe auf.“
Gypsy MaMa hat neben den kreativen und sozialen auch politische
Ambitionen: Roma sollen in der Gesellschaft sichtbarer werden, und vor
allem sollen positive Konnotationen entstehen, wenn man von ihnen hört.
Hippe Kleidung soll so dazu beitragen, Vorurteile in der Gesellschaft
abzubauen.
„Unser zweites Ziel ist, die Marke so populär zu machen, dass wirklich
die Mehrheit der Gesellschaft unsere Mode kauft und die Menschen dann
sehen: Die Roma können was! Wir wollen also mittels Mode gegen Vorurteile
ankämpfen.“
Der Traum der Gründer von Gypsy MaMa ist, dass das Projekt an anderen
Orten, in anderen Städten und später auch in anderen Ländern weiter
wächst. So könnte an vielen Orten den Roma geholfen werden.
„Wir hatten die Idee, ein globales Roma Mode-Label zu gründen: Gypsy
MaMa. Ziel dieser Marke ist, wirklich in vielen europäischen Ländern
vergleichbare Projekte aufzubauen und den Roma vor Ort zu helfen. Es sind
konkrete Pläne, aber momentan eben nur Pläne. Der nächste Schritt wäre
Prag, dann würden wir gerne in die Slowakei gehen, dann nach Wien und nach
ganz Mitteleuropa beziehungsweise auf den Balkan. Eben überall dorthin, wo
Roma leben. Das hört sich jetzt vielleicht wie ein Traum an, aber warum
nicht träumen.“, so Zdeněk Raiser.
Ja, warum nicht träumen! Gypsy MaMa ist momentan noch ein kleines
regionales Modelabel, das vier bis sechs Roma im Jahr helfen kann.
Vielleicht erfüllt sich damit nicht gleich die große Phantasie des
Schauspielerdaseins, aber immerhin der Wunsch nach einem festen Job.
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