Ein anderer Blick: Fotograf Chad Evans Wyatt porträtiert erfolgreiche Roma
Im Lustschloss der Königin Anna auf der Prager Burg ist gegenwärtig eine
Foto-Ausstellung des amerikanischen Fotografen Chad Evans Wyatt zu sehen.
In über 40 schwarz-weiß Porträts stellt Wyatt der Öffentlichkeit
Roma-Persönlichkeiten vor, die in Tschechien erfolgreich sind. Dahinter
steht ein langjähriges Projekt unter dem Motto Roma rising - übersetzt
etwa: Roma-Erwachen.
Auf Wellblech-Zäunen sind die Fotografien des Künstlers Chad Evans Wyatt
installiert, symbolisch für die Trennmauern zwischen den Roma und der sog.
Mehrheitsgesellschaft in Tschechien. Die hier weit verbreitete Meinung,
dass Roma generell ungebildet sind und keine Zukunftsperspektive suchen,
will die Ausstellung nicht nur durch einzelne Gegenbeispiele in Frage
stellen. Sie versteht sich gewissermaßen als Porträt einer neuen Schicht
selbstbewusster Roma, die sich allen negativen Lebensbedingungen zum Trotz
in der tschechischen Gesellschaft behauptet haben. Bereits Anfang der
1990er Jahre machte sich Wyatt in Tschechien auf die Suche nach solchen
Roma, das Interesse an Tschechien weckte bei ihm seine Frau, deren
Vorfahren hierher stammen. Darüber hinaus hat Wyatt als Afro-Amerikaner
auch einen durchaus persönlichen Zugang zur Problematik nationaler
Minderheiten.
Einen wichtigen Impuls für das Ausstellungsprojekt lieferten dem
Fotografen aber in erster Linie eine Reihe pseudowissenschaftlicher
Artikel, in denen Wyatt eine alarmierende Wiederkehr der
nationalsozialistischen Schädelkunde beobachtete:
"Es ist unglaublich, wie oft diese Argumentation heute wiederkehrt.
Ich habe etwa einen Artikel gelesen, indem behauptet wird, die Roma seien
minderwertig, weil sie ein kleineres Gehirn hätten - ein absurdes
Argument. Um einen Dialog zu beginnen, fotografierte ich erfolgreiche Roma
und stelle mit den Bildern die Frage: wenn Euer Stereotyp über die Roma
stimmt, wie könnt Ihr dann erklären, dass diese rund 100 Persönlichkeiten
erfolgreich sind? Und ich habe extra so viele Menschen fotografiert, um
den möglichen Einwand zu entkräften, dass ich zwei bis drei besondere Roma
gefunden hätte und der Rest von ihnen schrecklich ist."
Unter den porträtierten Persönlichkeiten finden sich etwa der Präsident
der Internationalen Roma-Union, Emil Scuka, die Leiterin des Brünner
Roma-Museums Jana Horvathova sowie die Schriftsteller Vlado Olah und
Tereza Fabianova, aber auch Mitarbeiter von NGOs, Lehrer, Journalisten und
Sportler.
Insgesamt hat Wyatt 88 Roma verschiedener Generationen porträtiert und
interviewt. Die Hälfte der so entstandenen Texte und Bilder ist in der
Ausstellung "Romske obrozeni" zu sehen, die übrigen sind in
einem gleichnamigen Katalog abgedruckt.
Die Ausstellung ist noch bis Ende Oktober in Prag zu besichtigen, ab Ende
November dann in Usti nad Labem.
Im Internet unter
www.romarising.com
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